1,5 Milliarden Jahre alte Mikroorganismen entdeckt

Mikroorganismen

Forschern ist eine absolute Sensation gelungen. Sie haben in einer Quarzmine in der Ukraine die ältesten Formen von Mikroorganismen gefunden, die aus den ersten Jahren der Evolution stammen. Sie könnten 1,5 Milliarden Jahre alt sein. So einen Einblick in das Leben, wie es ganz am Anfang ausgesehen haben könnte, gab es bisher noch nie.

Eigentlich wollten die Forscher von der Technischen Universität Berlin, der Akademie der Wissenschaften der Ukraine, des Museums für Naturkunde Berlin sowie des Naturhistorischen Museums in Luxemburg nur ein paar Edelsteine sammeln. Als Ort des Geschehens hatten sie sich die Volyn-Quarzmine in der Ukraine ausgesucht. In der Mine gibt es eine Menge hochwertige Quarzvorkommen. Die Forscher hatten es vor allem auf die Edelsteine Beryll und Topas abgesehen, aber dann kam alles ganz anders. Anstatt die Minerale zu untersuchen, ist ihnen ein völlig unerwarteter Fund gelungen: Mikroorganismen .

Was sind eigentlich Fossilien?

Bei Fossilien handelt es sich um Überreste oder Spuren von Lebewesen aus vergangenen geologischen Zeitaltern, die in Gesteinen, Sedimenten oder anderen Ablagerungen konserviert wurden. Die Überreste dieser Lebewesen können in den unterschiedlichsten Formen auftreten, zum Beispiel als Spurenfossilien, also diese berühmten Abdrücke von Lebewesen, wie zum Beispiel Dinosaurierfußabdrücke oder Fährten von Tieren.

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Dann gibt es noch die Körperfossilien, also die physischen Überreste von Lebewesen, die im Gestein noch enthalten sind, sowas wie Knochen oder Zähne oder auch ganze Insekten, die von Bernstein umhüllt sind. Und diese Mikroorganismen sind von großer wissenschaftlicher Bedeutung, da sie spannende Einblicke in die Evolution des Lebens auf der Erde bieten und sie es Forschern ermöglichen, die Artenvielfalt, die Entwicklung von Organismen, die Umweltbedingungen und sogar Informationen über Massenaussterben zu studieren.

Mal schauen, was die Forscher in ein paar Millionen Jahren auf der Erde finden, wenn sie unsere Hinterlassenschaften ausgraben. Wahrscheinlich finden sie dann versteinerte iPhones und fossilisierte Überreste von Bierkästen oder anderen Gegenständen aus Kunststoff und vermutlich definieren sie uns dann als biertrinkende iPhone-Zombies oder so, was natürlich völlig an den Haaren herbei gezogen ist.

Aus der Boring Billion: Älteste Mikroorganismen gefunden

Zurück zu unserem spektakulären Fund. Die Forscher haben auf den Mineralien die faserartigen Fossilien der ältesten Mikroorganismen jemals gefunden, die auch noch in dreidimensionaler Struktur erhalten sind. Bisher wurden die meisten Hinweise auf prähistorische Mikroorganismen mittels indirekter Verfahren erkannt wie etwa den charakteristischen Abdrücken in Gesteinsschichten. Dass die jetzt gefundenen Mikroorganismen so gut konserviert wurden, liegt an einer dünnen Schicht aus Aluminium-Silikat, die die ursprüngliche Form der Urzeit-Wesen umschlossen hat, ähnlich wie ihr es auch von der berühmten von Bernstein umschlossenen Mücke von Jurassic Park kennt.

Professor Dr. Gerhard Franz vom Institut für Angewandte Geowissenschaften an der TU Berlin sagt, dass damit zum ersten Mal die Fossilien von Ur-Mikroorganismen unter dem Rasterelektronenmikroskop studiert werden können, die aus der Zeit der sogenannten „Boring Billion” stammen. Das ist keineswegs eine etwas übertriebene Darstellung für eine langweilige Mathestunde, sondern ein Begriff aus der Erdgeschichte, der sich auf einen langen Zeitraum von etwa einer Milliarde Jahren in der geologischen Vergangenheit der Erde bezieht.

Wann war die Boring Billion?

Der Zeitraum der Boring Billion erstreckt sich von vor etwa 1,8 Milliarden Jahren bis vor etwa 0,8 Milliarden Jahren und in dieser Zeitspanne wurden keine signifikanten geologischen oder biologischen Ereignisse verzeichnet. Es ist im Grunde nichts Spannendes passiert, es war eine „langweilige” Zeit, also doch im Grunde so wie die Mathestunde.

Im Gegensatz zu anderen geologischen Epochen, in denen es heiß herging mit Massenaussterben oder der Entwicklung neuer Lebensformen, gab es während der Boring Billion eben keine nennenswerten Veränderungen. Die Boring Billion könnt ihr euch also als eine Art „langweilige“ Phase vor der Präkambischen Revolution vorstellen, also eine Zeit, bevor die Vielfalt des Lebens dramatisch zunahm und sich komplexe Organismen und mehrzellige Tiere entwickeln konnten.

Erst danach hat die Evolution sowas wie Skelette aus Kalziumkarbonat oder Phosphat hervorgebracht und erst danach entstanden Korallen, Muscheln aber auch Wirbeltiere, die dann eben irgendwann die ersten echten Fossilien mit Skeletten hervorbrachte.

Leben vor der Präkambischen Revolution

Alle Lebewesen vor dieser Präkambischen Revolution hatten also keine Skelette und konnten demnach auch nicht fossilisiert werden, so wie wir es heute von Fossilien kennen. Deswegen ist aus dem Zeitalter der Boring Billion auch so wenig bekannt, weil man schlicht und einfach kaum Spuren der Lebewesen aus diesem Zeitalter entdecken konnte.

Bis jetzt, denn Professor Franz ist eben diesen Evolutions-Frühlingen auf die Schliche gekommen. Und was er da unter dem Elektronenmikroskop sehen kann, lässt einen wirklich sprachlos zurück. Er sagt: „Was wir nun unter dem Elektronenmikroskop sehen, sind meist faserige Strukturen, entweder dünne Filamente, die sich verzweigen, oder dicke Filamente, die kleine Ausstülpungen oder Dellen aufweisen.”

Rasterelektronenbilder eines der Organismen (TU Berlin)
Rasterelektronenbilder eines der Organismen (TU Berlin)

Er berichtet weiter, dass die Funde zwischen zehn und 200 Mikrometern dick und bis zu mehreren Millimeter lang sind und teils sogar einen dünnen Kanal in der Mitte aufweisen. Zum Vergleich, ein durchschnittliches menschliches Haar hat in etwa einen Durchmesser von 50 bis 100 Mikrometern. Und er sagt auch, dass sie uns völlig unbekannte Formen von Mikroorganismen gefunden haben, die schalenförmig aussehen oder eine kugelige Form haben oder auch tentakelmäßige Verzweigungen aufweisen.

Das klingt fast schon so, als hätten die Forscher außerirdische Lebensformen entdeckt und da so etwas noch nie bisher gefunden wurde, stellt sich natürlich die Frage: Was könnte das bloß gewesen sein?

Eine uralte Pilzform

Zur großen Überraschung berichtet Franz: „Über die Analyse der Kohlenstoffisotope 12 C und 13 C konnten wir den Nachweis erbringen, dass es sich bei unseren Funden um Lebewesen gehandelt haben muss.” Er geht davon aus, dass es sich bei den fossilisierten Organismen um eine Art Pilz gehandelt haben muss, da die Forscher mithilfe der Infrarotspektroskopie und unter dem Elektronenmikroskop verschiedene Stoffe entlarven konnten, die eben auf ein Pilz-Dasein hindeuten, dazu gehören etwa Chitosan oder die Elemente Wismut und Tellur.

Franz sagt aber auch, dass diese pilzige Vermutung nicht auf alle Funde zutreffe und dass er nur vermuten kann, dass es sich bei den anderen Mikroorganismen um Ein- oder Mehrzeller handeln könnte und, dass die Pilze und die anderen Lebewesen wohl in einem gemeinsamen Ökosystem gehaust haben. Fakt ist jedenfalls, dass sich die Mikroorganismen in der Quarzmine einen super Ort zum Leben ausgesucht haben, denn in solchen Umgebungen werden diese Art von Organismen vom Sonnenlicht verschont und können etwa von Stoffen wie Phosphor, Stickstoff oder Kohlendioxid leben. Diese Stoffe lösen sich von der Oberfläche und wandern durch Spalten weiter nach unten direkt vor die Haustür der Mikroorganismen, wie so eine Art mineralisches Lieferando.

Und so ähnlich erging es wohl auch der Kolonie in der Quarzmine. Die Forscher stehen aktuell noch ganz am Anfang und wir müssen weitere Analysen abwarten und eventuell auf neue Funde hoffen, um noch mehr über die uns bisher völlig unbekannten Methusalem-Mikroorganismen zu erfahren und neue Einsichten in die frühe Entwicklung des Lebens auf der Erde unter extremen Bedingungen zu erhalten.

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Für uns bedeutet dieser Fund also zunächst mal keine Existenzkrise, wobei es schon erstaunlich ist, dass wir im 21. Jahrhundert leben und immer noch nicht alles auf der Erde entdeckt haben und erklären können. Das zeigt uns doch wieder einmal, wie besonders unser Planet doch ist und wie das Leben hier schon vor Milliarden von Jahren geblüht haben muss.

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