Die Atomhunde von Tschernobyl

Die Hunde von Tschernobyl

Die Hunde im verstrahlten Gebiet um das Kernkraftwerk Tschernobyl unterscheiden sich genetisch von allen anderen Hunden auf der Welt. Kein Witz, alles über diese Atomhunde erfahrt Ihr in diesem Beitrag.

Am 26. April 1986 änderte sich das Leben sehr vieler Menschen. Nach einer Nuklearkatastrophe wurden über 120.000 Personen in der Umgebung des Kernkraftwerks Tschernobyl und der nahegelegenen Stadt Pripjat evakuiert. Auch im Rest Europas spürte man die Folgen.

Wird verarbeitet …
Erledigt! Sie sind auf der Liste.

Was kaum jemand auf dem Schirm hatte: Die evakuierten Menschen hielten sich Hunde als Haustiere. Und ein großer Teil dieser Hunde wurde damals in der Eile und Not zurückgelassen. Da könnte man vermuten, dass diese Haushunde in der Nähe eines havarierten Atomkraftwerks mit einer immensen Strahlenbelastung nicht gerade lange durchhalten konnten. Aber: Viele haben es überlebt, sich vermehrt und heute existiert eine relativ große Hundepopulation in der Gegend um Tschernobyl. 

Tschernobyl: Hunde haben überlebt

Diese Hunde sind sehr mysteriös. Denn, obwohl es sehr wahrscheinlich ist, dass es sich hier um Haustiere der Evakuierten handelt, gibt es auch Menschen, die das für unwahrscheinlich halten. Denn die sowjetischen Streitkräfte haben in den ersten Tagen nach der Nuklearkatastrophe alle zurückgelassenen Haustiere ausgemerzt, um zu verhindern, dass sie aus dem Kernkraftwerksgebiet entkommen und die radioaktive Kontamination verbreiten. Woher auch immer sie kommen, die Hunde sind jedenfalls da und für Wissenschaftler ist es extrem interessant, sich diese Tschernobyl-Hunde genauer anzuschauen. Wie schaffen sie es, der immer noch hohen Strahlenbelastung zu trotzden? Was hat sich dadurch in ihrem Körper verändert? 

Hunde im Tschernobyl-Sperrgebiet (Clean Futures Fund+)
Hunde im Tschernobyl-Sperrgebiet (Clean Futures Fund+)

Genau das wissen wir nun dank einer neuen Studie. Das Ergebnis ist spektakulär: Die dortige Hundepopulation unterscheidet sich genetisch von allen anderen Hunden der Welt. Klingt fast wie der Plot einer apokalyptischen Horror-Serie, nuklear verstrahlte Hunde verändern ihr Erbgut und übernehmen danach die Welt – so drastisch wird es nicht, aber die Forschungsergebnisse haben es trotzdem in sich! 

Hunde verändern DNA-Profil in Tschernobyl

Die Forscher haben zwei Jahre lang Daten von den streunenden Tieren gesammelt und insgesamt 302 Hunde untersuchen können, die innerhalb des Kraftwerks selbst und in einer Entfernung von 15 bis 45 Kilometern von der Katastrophenstelle entfernt leben. Dass es wirklich Hundefamilien gibt, die im Kraftwerksgebäude leben, ist schon faszinierend. So sieht es auch die beteiligte Genetikerin Elaine Ostrander, die sagt: “Das Bemerkenswerteste an der Studie ist, dass wir Populationen von Hunden identifizieren, die im Schatten des Reaktors leben, und wir können diese Hunde anhand ihres DNA-Profils identifizieren. Der Gedanke an Familien, die in der Nähe von abgebrannten Brennstäben leben, ist unglaublich und spricht für die Widerstandsfähigkeit der Hunde als Spezies.”

Insgesamt ergab die neue Untersuchung, dass diese Population 15 komplexe Familienstrukturen aufweist, die im Vergleich zu anderen Hunden einzigartig sind. Heißt also, dass die Tschernobyl-Hunde sich anhand ihrer DNA eindeutig identifizieren lassen und von anderen Hundepopulationen unterscheiden. Laut den Forschern liegt das an der ionisierenden Strahlung, der diese Hunde seit Generationen ausgesetzt sind. 

Wie Strahlung die DNA verändert

Bei dem Unfall von 1986 wurde das tödliche radioaktive Isotop Cäsium-137 in der Nähe des Kraftwerks in einer immensen Konzentration freigesetzt, es ist also erst mal nicht verwunderlich, dass das über Generationen hinweg etwas mit den Hunden gemacht hat. Aber wie kann Strahlung die DNA konkret verändern? Wenn die Strahlung direkt auf die DNA einwirkt, kann sie die Struktur der DNA-Doppelhelix verändern, indem sie Bindungen zwischen den Nukleotiden, die die DNA bilden, bricht. Wenn die Strahlung auf Chromosomen einwirkt, die in der DNA enthalten sind, kann dies sogar zu Chromosomenbrüchen führen. 

Strahlung hat Einfluss auf die Helixstruktur der DNA
Strahlung hat Einfluss auf die Helixstruktur der DNA

Durch die Strahlung wird insgesamt die Mutationsrate erhöht. Mutationen sind Veränderungen in der DNA-Sequenz, die das genetische Material eines Organismus ausmachen. Wenn eine Mutation in einem Gen auftritt, kann dies zu einer veränderten Proteinsynthese führen, was wiederum zu Veränderungen in der Funktion und Eigenschaften des Organismus führen kann. Mutationen müssen nicht immer etwas Schlechtes sein, sie spielen sogar eine große Rolle in der Evolutionsbiologie. Laktose-Toleranz ist zum Beispiel eine genetische Mutation. Unsere Vorfahren waren allesamt laktose-interolant. Erst eine Mutation ermöglichte es unseren Vorfahren, Milchzucker zu verdauen und das war damals ein immenser Überlebensvorteil, weil er durch ein vergrößertes Nahrungsangebot das Überleben sicherte. Deswegen setzte sich die Laktose-Toleranz evolutionär ziemlich effektiv durch.

Welche Mutationen die Tschernobyl-Hunde möglicherweise entwickelt haben und ob auch vorteilhafte dabei sind, sollen jetzt weitere Tests klären. Klar ist nur, dass die Mutationsrate durch die Strahlenbelastung ziemlich erhöht sein müsste und dass das erfolgreiche Gedeihen dieser Hundepopulationen zumindest dafür spricht, dass sie sich durch Mutationen an die Bedingungen angepasst haben. Wie schon Dr. Ian Malcom in Jurassic Park sagte: Das Leben findet einen Weg.

Die Atomhunde von Tschernobyl

Mutationen und die Evolution allgemein verfolgen aber keinen Plan.. Es sind sicherlich auch sehr viele Tschernobyl-Hunde wegen schlechter Mutationen früh und qualvoll gestorben. Und eben weil sie gestorben sind, konnten sie sich nicht fortpflanzen und die schlechten Mutationen nicht weitergeben. Hunde, die besonders gut an die Strahlenbelastung angepasst waren, entweder durch vorteilhafte Mutationen oder einfach durch eine bessere Physis, konnten sich fortpflanzen und so entstand über die Generationen hinweg eine besonders strahlenresistente Atomhund-Population. Genau so wie Giraffen keinen langen Hals bekommen haben, weil sie es praktisch fanden, an die Blätter zu kommen, sondern weil die Urgiraffen mit einem etwas längeren Hals an mehr Nahrung kamen und sich daher, statt zu verhungern, angenehmeren Dingen wie der Fortpflanzung widmen konnten. 

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Was für eine Mutation könnte den Hunden zum Beispiel helfen? Die Forscher denken, dass sie genetische Veränderungen erfahren haben könnten, die ihre Fähigkeit zur Reparatur von DNA-Schäden verbessert haben, was ein wichtiger Faktor bei der Bewältigung von Strahlenschäden ist. Und diese Forschung könnte dann auch wichtig für Menschen sein, die in Gebieten mit hoher Strahlenbelastung leben. Elaine Ostrander sagt: “Wir können so viel von diesen Tieren lernen. Dies ist eine einmalige Gelegenheit zu sehen, was passiert, wenn Generationen von großen Säugetieren in einer feindlichen Umgebung leben.”

Das Ganze ist auch interessant bezüglich der wissenschaftlichen Theorie der Strahlenhormesis, wonach eine geringe Strahlenbelastung sogar gesundheitsförderlich sein kann. Niedrige Dosen ionisierender Strahlung, die unterhalb der Schwelle für akute Schädigungen liegen, können das Immunsystem stimulieren und die DNA-Reparaturprozesse verbessern. Einige Studien haben gezeigt, dass niedrige Strahlendosen das Risiko für bestimmte Krebsarten verringern und positive Auswirkungen auf das Immunsystem und den Stoffwechsel haben können. In einer anderen Studie mit Hunden wurde festgestellt, dass die Lebenserwartung der Hunde signifikant steigt, wenn sie ihr gesamtes Leben lang einer niedrigen Strahlenbelastung ausgesetzt werden. Das klingt unglaublich und widerspricht allem, was man sonst so hört, aber die Studienlage ist relativ eindeutig.

Die Hunde überleben dort also und das Dank womöglich vorteilhafter genetischer Mutation und sogar leicht positiver Effekter der Strahlenhormesis. Das bedeutet nicht, dass es den Hunden gut ginge. Vor allem seit der Krieg in der Ukraine tobt, gibt es kaum noch Touristen in Tschernobyl – richtig gehört, man konnte da Touren hin buchen. Weniger Touristen bedeutet weniger Futter, das den Hunden mitgebracht wird. Das Forscherteam, das die DNA-Studie mit den Hunden durchgeführt hat, arbeitet daher mit dem Clean Future Fund zusammen, der mit Spenden versucht, den Tschernobyl-Hunden zu helfen.

Wollt ihr noch mehr über dieses Thema erfahren, dann schaut euch unbedingt mal dieses Video an:

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