Die unfassbare Geschichte hinter dem Demon Core

Der Demon Core

Mit dem Dämonenkern sollte eine dritte Atombombe gebaut werden, doch das Objekt tötete zwei der Forscher auf bizarre Art und Weise – diese Geschichte ist wirklich skurril.

Der Zweite Weltkrieg endete kurz nach dem Einsatz der amerikanischen Atombomben in Hiroshima und Nagasaki. Dass das japanische Kaiserreich danach kapitulieren würde, war aber nicht klar, und deswegen arbeitete man in den USA an einer dritten Atombombe. Der Kern dieser Atombombe war eine 6,2 Kilogramm schwere Plutoniumkugel, die man heute Dämonenkern oder auf Englisch Demon Core nennt. Diesen Spitznamen hat sie sich wirklich verdient. Aber weshalb haben die USA diesen Plutoniumkern überhaupt nach dem Ende des zweiten Weltkriegs behalten?

Wird verarbeitet …
Erledigt! Sie sind auf der Liste.

Die Forschung an Atomwaffen ging nach dem Krieg weiter und obwohl es seitdem nicht mehr zu einem Kriegseinsatz kam, gab es durchaus Einsätze im Rahmen von Tests. Der Demon Core sollte ursprünglich im Rahmen der Operation Crossroads eingesetzt werden, eine Serie von Atombombentests, die von den USA durchgeführt wurden, um die Auswirkungen von Kernwaffen auf Kriegsschiffe zu untersuchen.

Im Rahmen der Operation Crossroads kam es zu zwei Kernwaffentests mit den Bezeichnungen Able und Baker. Diese Tests erfolgten auf dem Bikini-Atoll im Pazifischen Ozean. Der Demon Core wurde aber nicht bei einem solchen Test eingesetzt, sondern vorher eingeschmolzen und das vermutlich wegen der tragischen Ereignisse, die er ausgelöst hat

Der Baker-Test (United States Department of Defense)
Der Baker-Test (United States Department of Defense)

Unfall mit dem Demon Core

Der erste Unfall geschah am 21. August 1945. Der Physiker Harry Daghlian führte ein Experiment durch, das darauf abzielte, die kritische Masse des Plutoniumkerns zu bestimmen. Er wollte herausfinden, wie nahe der Kern an den Bedingungen für eine selbsttragende Kettenreaktion war. Das ist eine entscheidende Information für das Verständnis der Neutronenphysik und der Funktionsweise von Kernwaffen. 

Was eine solche Kettenreaktion in einem Plutoniumkern genau ist, schauen wir uns gleich noch genauer an. Harry Daghlian baute Wolframcarbid-Blöcke um den Demon Core auf, um dessen kritische Masse zu untersuchen. Wolframcarbid ist ein Material, das Neutronen reflektiert, und deswegen fungierte es in diesem Experiment als Neutronenreflektor um den Demon Core. Unten seht Ihr einen Nachbau des Versuchs und um die Plutoniumkugel herum die Wolframcarbid-Blöcke. 

Rekonstruktion des Experiments von Harry Daghlian (Los Alamos National Laboratory)
Rekonstruktion des Experiments von Harry Daghlian (Los Alamos National Laboratory)

Indem man den Plutoniumkern mit Wolframcarbid umgibt, erhöht man die Anzahl der Neutronen im Kern, die zur Aufrechterhaltung einer Kettenreaktion benötigt werden. Natürlich wollte Daghlian keine kritische Kettenreaktion erreichen, sondern durch Anzahl und Justierung des Wolframcarbid unter sicheren Bedingungen herausfinden, wie der Demon Core worauf genau reagiert. Aber was dann passierte, ist wirklich unfassbar. 

Demon Core: unkontrollierbare Kettenreaktion

Harry Daghlian ließ versehentlich einen Wolframcarbid-Blöcke auf den Demon Core fallen. Nachdem, was ihr gerade gelesen habt, könnt ihr euch vorstellen, was das ausgelöst hat. Der Kern wurde plötzlich viel näher an die kritische Masse gebracht, es wurde eine unkontrollierte Kettenreaktion ausgelöst und eine immense Strahlung wurde erzeugt. Harry Daghlian entfernte den Block sofort, um die Reaktion zu stoppen, aber in dieser kurzen Zeit erhielt er bereits eine tödliche Dosis von Strahlung in Höhe von knapp 5,1 Sievert. 

Weniger als einen Monat später verstarb er an der Strahlenkrankheit. Jetzt würde man meinen, dass nach diesem Vorfall die Sicherheitsvorkehrungen am Los Alamos National Laboratory, wo der Unfall geschah, erhöht wurden — nicht wirklich, muss man sagen. Denn weniger als ein Jahr später, am 21. Mai 1946 geschah der nächste tragische Unfall, dessen Ablauf wirklich noch unfassbarer klingt. 

Zweiter Unfall mit Demon Core

Der Physiker Louis Slotin, übrigens guter Freund von Harry Daghlian, arbeitete am Demon Core. Das Experiment, das er durchführte, trug den Namen “tickling the dragon’s tail”, also den Schwanz des Drachen kitzeln und es ist irgendwie genau das passiert, was man erwarten würde, wenn man den Schwanz eines Drachens kitzelt, nämlich eine Katastrophe. In diesem Experiment wurden zwei Halbkugeln aus Beryllium verwendet, die als Neutronenreflektor dienten, also die Funktion erfüllten, die im ersten Experiment die Wolframcarbid-Blöcke hatten. 

Diese Halbkugeln wurden um den Demon Core platziert, um die Anzahl der im Kern verbleibenden Neutronen zu erhöhen und so die Nähe zum kritischen Punkt vor einer unkontrollierbaren Kettenreaktion zu untersuchen. Louis Slotin wollte in dem Experiment die beiden Beryllium-Halbkugeln langsam aufeinander zuführen und testen, wie der Demon Core reagiert. 

Rekonstruktion des Experiments von Louis Slotin (Los Alamos National Laboratory)
Rekonstruktion des Experiments von Louis Slotin (Los Alamos National Laboratory)

So weit, so irre und jetzt wird es aber wirklich bizarr: Um zu verhindern, dass die beiden Halbkugeln vollständig zusammengesetzt wurden und den Kern so vollständig umschließen – was nämlich eine nukleare Kettenreaktion ausgelöst hätte –, waren eigentlich Distanzhalter vorgesehen, Slotin nutzte aber lediglich einen Schraubenzieher, um sie getrennt zu halten, unten seht Ihr wieder eine Nachstellung des Experiments. Ihr habt richtig gehört, vom nuklearen Fiasko und dem eigenen Tod trennte Louis Slotin nur ein Schraubenzieher zwischen den beiden Halbkugeln. Es kam dann auch wie es kommen musste, der Schraubenzieher entglitt ihm, die beiden Halbkugeln umschlossen den Demon Core nun komplett und es entfaltete sich abermals eine kritische nukleare Kettenreaktion. 

Tscherenkov-Strahlung entstand

Kollegen von Slotin beschrieben später ein blaues Glimmen um den Kern herum, die sogenannte Tscherenkov-Strahlung, die auch in Kernkraftwerken sichtbar wird. Slotin spürte darüber hinaus einen sauren Geschmack im Mund und ein Brennen in der linken Hand. Obwohl Slotin die Kugeln schnell wieder voneinander trennte und dadurch die überkritische Reaktion beendete, war es schon zu spät. Er starb nur neun Tage später an der Strahlenkrankheit. 

Mondgestein Meteorit

Ein Stück vom Mond für dein Wohnzimmer: Hol dir jetzt deinen Mondmeteoriten!

Zwei unglaublich tragische und bizarre Unfälle und was daran wirklich tragisch ist, ist, dass sowohl Harry Daghlian als auch Louis Slotin als erfahrenen Kernphysikern in dem Moment des Unfalls schon klar gewesen sein dürfte, was dieser kurze Moment der Unachtsamkeit den eigenen Tod bedeuten würde. 

Aber wie kann es sein, dass durch so kleine Fehlgriffe die Strahlenbelastung so immens hoch wird. Erstmal: Die Kettenreaktionen, die während der tödlichen Unfälle mit dem Demon Core auftraten, waren nicht stark genug, um eine vollständige Kernexplosion auszulösen. Eine einsatzfähige Atombombe enthält noch wesentlich mehr Elemente als nur einen solchen Plutoniumkern, zum Beispiel noch verstärkenden Sprengstoff. 

Wenn Kernspaltung eintritt

Der Demon Core stand nie kurz vor der nuklearen Explosion, aber erreichten einen Zustand, der als “kritisch” bezeichnet wird. In dem Fall im wahrsten Sinne des Wortes. In einem solchen Zustand entsteht eine selbstständige Kettenreaktion, bei der sich die Anzahl der Neutronen in dem Material stabilisieren oder langsam ansteigt, aber nicht so schnell wie in einer unkontrollierten, explosionsartigen Kettenreaktion. Ganz grob geschieht Folgendes: Die Kettenreaktion beginnt, wenn ein Neutron in den Plutoniumkern eindringt und von einem Plutonium-239-Atom aufgenommen wird. Dadurch wird das Plutonium-239 in Plutonium-240 umgewandelt – und das ist instabil.

Daher zerfällt dann das Plutonium-240, indem es sich in zwei kleinere Atomkerne, sogenannte Spaltprodukte, aufspaltet. Bei diesem Prozess, den Ihr sicherlich besser unter dem Namen Kernspaltung kennt, wird eine große Menge Energie in Form von Wärme und Gammastrahlung freigesetzt. Leider werden dabei Neutronen freigesetzt,  die wiederum auf weitere Plutonium-239-Atome treffen und diese ebenfalls spalten, wodurch noch mehr Energie und Neutronen freigesetzt werden. Ihr seht worauf das hinausläuft: Eine exponentiell stärker werdende Kettenreaktion und genau das hat sich in den wenigen Sekunden abgespielt, in denen den beiden Forschern jeweils ihr neutronenflektierendes Missgeschick unterlaufen ist. Die Geschichte des Demon Core zeigt deutlich, mit was für einer immensen Kraft wir es bei der Kernspaltung zu tun haben. Ebenso erschreckend wie faszinierend.

Wollt ihr noch mehr über dieses Thema erfahren, dann schaut euch unbedingt mal dieses Video an:

Astronautennahrung, Eisenmeteorite und Plüschplaneten: In unserem Weltraum-Shop bleibt kein Wunsch offen. Kommt vorbei und stöbert in unseren Weltraum-Produkten.

Impressum und Datenschutz

Kommentar verfassen