Fast alles, was wir über unsere Milchstraße geglaubt haben, ist falsch. Das geht nun aus unglaublichen neuen Daten des Weltraumteleskops GAIA hervor.
Unsere Galaxis, die Milchstraße, ist eine spiralförmige Ansammlung von Milliarden von Sternen. Einer davon ist die Sonne. All diese Sternsysteme haben sich irgendwann aus gigantischen Weltraumnebeln gebildet. Doch neue Erkenntnisse des Weltraumteleskops GAIA zeigen nun: Das stimmt so alles gar nicht. GAIA steht medial immer im Schatten vom Hubble-Teleskop oder James-Webb. Das aber völlig unverdient, denn die Mission von GAIA ist absolut spannend, wie sich jetzt anhand der Erkenntnisse zeigt.
GAIA ist ein Weltraumteleskop der Europäischen Weltraumbehörde und durchmustert den Himmel in nie geahntem Ausmaß. Die Sterne der Milchstraße werden dabei astrometrisch, photometrisch und spektroskopisch mit bisher unerreichter Genauigkeit erfasst – anders gesagt: Durch GAIA erhalten wir detailgetreue Karten unserer Heimatgalaxis und auch teilweise von extragalaktischen Objekten. GAIA ist also, wenn man so will, sowas wie ein galaktisches Kartografierungsgerät. Und letzten Monat war dann endlich der Moment gekommen, auf den die gesamte astronomische Szene hingefiebert hat: Die ESA gab das dritte und bisher umfangreichste Datenpaket des Weltraumteleskops GAIA zur Milchstraße frei.

Milchstraße: Keine Spiralarmgalaxie
Die wohl beeindruckenste Erkenntnis ist, dass wir jahrzehntelang von einer falschen Form unserer Galaxis ausgingen. Es gab zwar schon lange Debatten darüber, ob die Milchstraße eine klassische Spiralgalaxie, oder, ob sie eine Balkenspiralgalaxie ist, im Zentrum also einen länglichen Balken aufweist, von dem aus die Spiralarme abzweigen. Jetzt kam aber heraus, dass die Milchstraße eine ganz besondere Art von Spiralgalaxie ist, sie weist nämlich ein Flocculent-Spiral-Muster auf. Flocculent heißt so viel wie flockig und Flocculent-Spiral-Galaxien hielt man eigentlich für sehr exotische und seltene Galaxien. Diese Galaxien zeichnen sich dadurch aus, dass ihre Spiralarme eher undefiniert sind und stattdessen zerrissen und chaotisch wirken. Deutlich wird das typische Aussehen einer Flocculent-Galaxie zum Beispiel bei der Galaxie NGC 2775, die 54 Millionen Lichtjahre von uns entfernt ist. Die Spiralarme sind kaum definiert und lassen sich nur sehr schwer als einzelne Strukturen identifizieren, stattdessen ist alles irgendwie ungeordnet und ja, eben flockig. In so einer flockigen Galaxie leben wir also auch.

Ironischerweise ist es besonders schwierig, Erkenntnisse über unsere eigene Galaxis zu gewinnen. Sie ist zwar logischerweise am nächsten an uns dran, weil wir in ihr drin sind, aber genau dieser Umstand macht es auch so schwierig, etwas über sie herauszufinden. Stellt euch mal vor, Ihr sitzt Zuhause im Wohnzimmer und wollt herausfinden, wie euer Haus von außen aussieht – ihr könnt aber nicht raus, weil euer Haus zehntausende Lichtjahre groß ist. Ihr könnt aber aus dem Fenster schauen und die Nachbarhäuser von außen sehen. Ihr wisst also mehr über das äußerliche Aussehen der Nachbarhäuser als über euer eigenes Haus. Genau so verhält sich das auch bei Galaxien und deswegen ist es eigentlich gar nicht so überraschend, dass wir immer wieder neue Informationen über die Gestalt unserer Milchstraße erhalten.
Die Zugehörigkeit zu den flockigen Galaxien ist aber nicht die einzige spannende Erkenntnis, die GAIA uns geliefert hat. Aus den Daten geht auch eine schockierende Nachricht über die Herkunft vieler Sterne in der Galaxis hervor. Unten seht Ihr eine Karte, auf der die Sterne der Milchstraße anhand der GAIA-Daten nach ihrer chemischen Zusammensetzung eingefärbt sind. Durch die chemische Klassifizierung vieler Sterne und deren Position erscheint klar, dass viele Objekte in unserer Galaxie ursprünglich nicht hier “geboren” wurden, sondern aus fremden Galaxien stammen und schließlich von der Milchstraße einverleibt wurden.

GAIA: Kommt die Sonne aus einer anderen Galaxie?
Die Milchstraße hat also in ihrer dunklen Vergangenheit andere Zwerggalaxien aufgefressen und sich deren Wasserstoffvorräte einverleibt. Und jetzt kommts: Auch unser Sonnensystem könnte auf einen solchen Vorgang zurückzuführen sein. Hinweise im GAIA-Datenmaterial legen nämlich nahe, dass das Verschlingen einer Zwerggalaxie die Entstehung unserer Sonne vor etwa vier bis fünf Milliarden Jahren ausgelöst haben könnte.
Die Forscher vermuten anhand der GAIA-Daten auch, dass unsere Sonne eigentlich ganz woanders entstanden ist und erst im Laufe der Zeit ihren jetzigen Platz am Rande der Milchstraße eingenommen hat. Das ist aber alles noch sehr rätselhaft und unklar. Aus den GAIA-Daten werden wir zukünftig sicherlich noch unfassbar viele weitere Informationen über unsere eigene galaktische Herkunft ziehen können. Erst ein Bruchteil ist nämlich überhaupt erst analysiert.
GAIA: Sternenbeben beobachtet
Unten auf dem Bild sehen wir die Bahnen von 150.000 Asteroiden in Relation zu unserer Sonne, modelliert auf Grundlage der GAIA-Beobachtungen. Der GAIA-Wissenschaftler Timo Prusti sagt: “Je mehr Daten wir bekommen, desto schwieriger wird die Verarbeitung. Gleichzeitig entsprechen die 1,8 Milliarden Sterne gerade einmal einem Prozent der in der Milchstraße vorhandenen Sterne.” Und noch ein spannendes Phänomen ergibt sich aus den GAIA-Daten: Sternenbeben. Klingt wie ein schlechter Deutschpop-Song von Silbermond, ist aber ein existierendes astronomisches Phänomen. Im Prinzip meint man damit das Pulsieren sehr schwerer Sterne. Die beiden Sterne UY Scuti und Stephenson 2-18 etwa pulsieren derart heftig, dass sie sich den Titel des größten bekannten Sterns teilen. Mal ist der eine größer, mal der andere.

GAIA hat bereits über 100.000 derartig flackernde massereiche Sterne entdeckt. Diese Informationen sind wichtig, um mehr über den Entstehungsort der Sterne, aber auch deren Bewegung innerhalb der Galaxis zu erfahren. Die Astroseismologin Conny Aerts sagt: “Derartige Beben, die wir als Aufflackern der Sterne wahrnehmen, liefern wertvolle Daten zur inneren chemischen Zusammensetzung, aber auch zu ihrer inneren Bewegung.”
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