Hubble-Spannung: Stimmt was mit dem Kosmos nicht?

Hubble Spannung Universum

Neue James-Webb-Daten über die Expansion des Kosmos haben enthüllt: Irgendetwas stimmt nicht mit dem Universum. Oder mit unseren Theorien. Was hat James Webb entdeckt? Und was hat das mit der Hubble-Spannung zu tun?

Die Welt der Kosmologie wurde vor mehr als einem Jahr gehörig auf den Kopf gestellt. Seitdem beobachtet das James-Webb-Teleskop den Kosmos. Wir können damit noch tiefer und noch detailreicher in die Anfangszeit des Alls gucken als mit dem Hubble-Teleskop.

Um die Unterschiede zwischen der optischen Beobachtung von Hubble und der Infrarotbeobachtung von James Webb deutlich zu machen, findet ihr unten ein Vergleichsbild der sogenannten kosmischen Klippen. Oben Hubble, unten James Webb. Deutlicher Unterschied, oder? Schreibt mal einen Kommentar, welche Aufnahme ihr rein ästhetisch schöner findet und warum. Hubble oder James Webb?

Vergleich Hubble vs James Webb
Kosmische Klippen: Vergleich Hubble vs James Webb

Was ist die Hubble-Konstante?

Nun haben aktuelle Daten von James Webb eine Krise der Kosmologie hervorgerufen. Um zu verstehen, weshalb, müssen wir erstmal einen Begriff klären: die Hubble-Konstante. Stellt euch mal vor, ihr wärt ein physikbesessener Bäcker und wollt exakt berechnen, mit welcher Geschwindigkeit euer Rosinenkuchen im Ofen aufbackt. So ungefähr können wir uns die Hubble-Konstante vorstellen. Die Hubble-Konstanten beschreibt die Geschwindigkeit, mit der das Universum expandiert, und ist daher von grundlegender Bedeutung für unsere Vorstellung von Raum und Zeit.

Edwin Hubble, der berühmte amerikanische Astronom, nach dem das Hubble-Teleskop benannt wurde, trug entscheidend dazu bei, die Idee des expandierenden Kosmos überhaupt erst zu entwickeln, als er in den 1920er Jahren beobachtete, dass die meisten Galaxien sich von uns entfernen. Diese Beobachtung führte zur Formulierung des Hubble-Gesetzes, das besagt, dass die Geschwindigkeit, mit der eine Galaxie sich von uns entfernt, proportional zu ihrer Entfernung ist. Oder wie man in der Bäcker-Ausbildung lernt: Die Geschwindigkeit, mit der eine Rosine sich vom Zentrum des Kuchens entfernt, ist proportional zu ihrer Entfernung zum Kuchenzentrum.

Hol dir jetzt das neue Buch!

Hubble-Konstante: Wie alt ist das Universum?

Astronomen verwenden die Hubble-Konstante, um zu berechnen, wie schnell sich das Universum ausdehnt, indem sie die Entfernungen zu weit entfernten Objekten im Weltraum messen. Und das ermöglicht es uns, das Alter des Universums abzuschätzen. Wenn wir die Geschwindigkeit kennen, mit der sich das Universum ausdehnt, und umgekehrt die Zeit zurückverfolgen, bis alles im Universum an einem Punkt konzentriert war, dann erhalten wir eine Schätzung für das Alter des Universums. Und die Berechnung hat ergeben, dass das Universum ungefähr 13,8 Milliarden Jahre alt ist.

Gut, das klingt noch alles unproblematisch. Weit gefehlt, denn ein dunkler Schatten liegt über der Kosmologie, die sogenannte Hubble-Spannung. Denn verschiedene Techniken zur Berechnung der Konstanten liefern unterschiedliche Ergebnisse, und diese Diskrepanz ist seit Jahren ein Rätsel in der Kosmologie. Es ist, als ob verschiedene Maßbänder unterschiedliche Ergebnisse für die Größe des Universums liefern würden.

Die Messungen der Hubble-Konstante führen also nicht zu einem eindeutigen Wert. Astrophysiker und Nobelpreisträger Adam Riess von der Johns-Hopkins-Universität sagt: „Hatten Sie schon einmal Mühe, ein Zeichen zu erkennen, das am Rande Ihrer Sichtweite lag? Was steht darauf? Was bedeutet es?“ Er wollte damit sagen, dass unsere Brillen, mit denen wir in den Kosmos geschaut haben, einfach nicht gut genug waren, um die Hubble-Konstante eindeutig aufzulösen. Doch nun haben wir letztes Jahr unsere kosmische Brille geupdatet und schauen nicht mehr nur mit Hubble ins All, sondern vor allem mit James Webb. Da müsste sich die Hubble-Spannung aufgelöst haben. Oder?

Was sind Cepheiden?

Nein, sie ist schlimmer geworden. Ein Forscherteam, angeführt vom eben erwähnten Adam Riess, nutzten das James-Webb-Teleskop, um dem Kosmos mal richtig auf den Zahn zu fühlen, indem sie Cepheiden in weit entfernten Galaxien beobachtet haben. Cepheiden sind eine Art Entfernungsmessstation im Weltraum. Es handelt sich um veränderliche Sterne, das bedeutet, dass sie regelmäßige Perioden der Helligkeitsänderung durchlaufen.

Darstellung der Cepheiden-Messung
Darstellung der Cepheiden-Messung

Und jetzt kommt‘s: Je heller ein Cepheidenstern in seiner hellsten Phase leuchtet, desto länger ist die Dauer seiner Helligkeitsperiode. Das ist ein eisernes Gesetz, das für alle Cepheiden immer gilt. So als könnte man sagen: Je heller ein Handy leuchtet, desto länger hält sein Akku. Oder so. Und diese wirklich bemerkenswerte Beziehung zwischen der Helligkeit und der Periodendauer von Cepheiden ermöglicht es Astronomen, die Entfernung zu diesen Sternen sehr präzise zu berechnen. Und deswegen sind Cepheiden für die Astronomen zuverlässige Leuchttürme im Universum, mit denen Astronomen die Entfernungen zu weit entfernten Galaxien messen können.

Und die Hoffnung war jetzt, dass, wenn James Webb sich diese Leuchttürme anschaut, die Unklarheiten über die Hubble-Konstante aufgelöst werden könnten. Weil James Webb im Infrarotbereich klarer durch galaktische Staubwolken und Nebel hindurchsehen kann als Hubble im Optischen Bereich und somit die Cepheidenmessungen so exakt wie nie zuvor geschehen könnten. Adam Riess sagt: „Weil die Cepheiden so weit weg sind, erscheinen sie von unserem entfernten Standpunkt aus auf engstem Raum zusammengedrängt, sodass uns oft die Auflösung fehlte, um sie von ihren Nachbarn auf der Sichtlinie zu unterscheiden.”

Hubble-Konstante ist korrekt

Und das Ergebnis, das James Webb nun geliefert hat, hat es in sich. Es lautet: Die bisherigen Messungen von Hubble waren… korrekt. Unser Verständnis der Hubble-Konstante geht grundsätzlich in die richtige Richtung, heißt, der Kosmos dehnt sich aus, und zwar immer schneller. Aber die Hubble-Spannung, die Widersprüche in der Messung bleiben ebenfalls bestehen.

Diese Erkenntnisse zeigen uns aber, dass die Hubble-Spannung keineswegs dadurch zu erklären war, dass unsere kosmische Brille zu schlecht gewesen wäre, also dass wir nur nicht gut genug nachgucken konnten. Sie zeigen auch, dass die Hubble-Spannung real ist und irgendetwas mit unserem Verständnis der kosmischen Expansion definitiv nicht stimmen kann. Adam Riess sagt: „Damit bleiben die interessanteren Möglichkeiten auf dem Tisch und das Geheimnis der Spannung vertieft sich. Die aufregendste Möglichkeit ist, dass die Spannung ein Hinweis auf etwas ist, das wir in unserem Verständnis des Kosmos vermissen.”

Mehr Science-News? Dann hol dir unseren Newsletter!

Processing…
Erledigt! Du bist auf der Liste.

Aber was? Was übersehen wir? Was ist das Puzzleteil, das wir bräuchten, um einen einheitlichen Wert für die Expansion des Kosmos herausfinden zu können? Nachdem Hubble und James Webb zu denselben Ergebnissen kamen, können wir Messfehler wohl eher ausschließen. Bleiben, wie Adam Riess gesagt hat, die wirklich interessanten Möglichkeiten.

Was verursacht die Hubble-Spannung wirklich?

Und das sind vor allem zwei Stück: Erstens Dunkle Energie. Dunkle Energie ist eine mysteriöse, bisher unidentifizierte Energieform, die eine Art negativen Druck im Raum ausüben könnte und dazu führen würde, dass das Universum beschleunigt expandiert. Einige Wissenschaftler glauben, dass es möglicherweise eine Veränderung in der Dunklen Energie im Laufe der Zeit gibt, die die Expansionsrate des Universums beeinflusst. Dies könnte die Diskrepanz zwischen den Messungen erklären.

Zweitens: Unsere Vorstellung der Gravitation ist falsch. Immer mehr Astrophysiker denken, dass unsere derzeitige Vorstellung von Gravitation möglicherweise nicht ausreicht, um die Bewegungen der Galaxien auf großen Skalen genau zu beschreiben. Eine Modifikation der allgemeinen Relativitätstheorie von Albert Einstein oder das Vorhandensein von bislang unbekannten subtilen Gravitationswechselwirkungen könnten die unterschiedlichen Messungen der Hubble-Konstanten erklären – aber das wäre natürlich schon eine massive wissenschaftliche Revolution.

Ihr wollt mehr über die Hubble-Spannung erfahren? Dann schaut mal in das Video von Astro-Tim rein:

Astronautennahrung, Eisenmeteorite und Plüschplaneten: In unserem Weltraum-Shop bleibt kein Wunsch offen. Kommt vorbei und stöbert in unseren Weltraum-Produkten.

Impressum und Datenschutz

Kommentar verfassen