Quantendomänenwand aus dem Labor

Wissenschaftlern ist es gelungen, ein mysteriöses Quantenobjekt im Labor zu erschaffen, eine sogenannte Quantendomänenwand. Das könnte uns einen Durchbruch beim Bau eines Quantencomputers und sogar bei der Erforschung des Urknalls bescheren.

Die Quantenmechanik – also das Verhalten des Universums und seinen Objekten in kleinsten Maßstäben – ist ein ebenso komplexes wie faszinierendes Thema. Nun haben Forscher einen weiteren Durchbruch erzielt, der beim ersten Lesen nicht ganz einfach zu verstehen ist. Sie haben eine Quantumdomänenwand erschaffen.

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Eine solche Domänenwand ist ein Quantenobjekt und dementsprechend sehr klein. Die Forscher haben nicht irgendeine riesige Wand im Labor rumstehen und fragen, was sie damit tun sollen, sondern sie haben ein Objekt auf Quantenebene erschaffen, das am ehesten einer Art Wand nahe kommt.  Solche Domänenwände entstehen, wenn Atome bei sehr kalten Temperaturen gelagert werden. Es entsteht dann ein sogenanntes Bose-Einstein-Kondensat. Das ist ein extremer Aggregatzustand, also im Prinzip ein Zustand wie flüssig oder gasförmig, nur eben viel extremer. Es handelt sich um ein System nicht unterscheidbarer Teilchen, in dem sich der überwiegende Anteil der Teilchen im selben quantenmechanischen Zustand befindet. Innerhalb des Bose-Einstein-Kondensat kann es geschehen, dass bestimmte Atome sich zu gemeinsamen Gruppen, also Domänen, zusammenschließen. Und eine Domänenwand ist die Verbindungsstelle zwischen mehreren Domänen innerhalb des Bose-Einstein-Kondensat.

Bose Einstein Kondensat

“Es ist wie eine Sanddüne”

Domänenwände wurden schon früher erforscht, aber bisher konnten sie noch nie im Labor nach Belieben erzeugt werden. Das ermöglicht den Wissenschaftlern sie auf neue Weise zu analysieren. Und dabei haben sie etwas Erstaunliches entdeckt: Es stellte sich heraus, dass die Wände sogenannte emergente Phänomene sind. Das bedeutet, dass sich die Wand als Gesamtes anders verhält und anderen physikalischen Gesetzen folgt als die einzelnen Teilchen aus denen sie besteht. Der beteiligte Physiker Kai-Xuan Yao von der University of Chicago hat dafür einen sehr schönen Vergleich gefunden: “Es ist wie eine Sanddüne in der Wüste – sie besteht aus Sand, aber die Düne insgesamt verhält sich anders als einzelne Sandkörner.”

Mit einer Sanddüne lässt sich eine Quantendomänenwand besser verstehen

Und was macht man jetzt mit diesen Quantendomänenwänden? Erst mal herausfinden, mit welcher Art physikalischer Gesetze wir es hier überhaupt zu tun haben, denn das Ganze ist auch für die beteiligten Forscher noch rätselhaft. Also grämt euch nicht, wenn Ihr es noch nicht komplett versteht – die Forscher verstehens auch nicht. Der Physiker Cheng Chin sagt etwas ratlos: “Wir haben viel Erfahrung mit der Kontrolle von Atomen. Wir wissen, wenn man Atome nach rechts schiebt, bewegen sie sich nach rechts. Aber wenn man hier die Domänenwand nach rechts schiebt, bewegt sie sich nach links.”

Parallelen zum frühen Universum

Wenn wir das Geheimnis der Quantenwände entschlüsseln, können sie uns vielleicht dabei helfen, die Geheimnisse des Urknalls und des frühen Universums zu lösen. Denn einige Kosmologen denken, dass ein rasant expandierendes Bose-Einstein-Kondensat verblüffende Parallelen mit dem frühen expandierenden Universum aufweist. Und bezüglich dieser Phase des Kosmos stellen sich Millionen ungeklärter Fragen: Teilchen, die einst zusammengeklumpt waren, expandierten schließlich und bildeten Sterne und Planeten. Die Erforschung von emergenten Phänomenen wie den Quantendomänenwänden könnte der Schlüssel zu der Antwort sein, wie aus zusammengepappten Teilchen im jungen Universum irgendwann all die schönen kosmischen Objekte wurden, die wir heute kennen.

Mit Quantendomänenwänden mehr über den Urknall lernen

Sobald mehr darüber bekannt ist, wie Domänenwände kontrolliert werden können, könnte dies aber auch Möglichkeiten für neue Quantentechnologien eröffnen. Cheng Chin sagt: “Es könnte Anwendungen für dieses Phänomen geben, wenn es darum geht, programmierbares Quantenmaterial oder Quanteninformationsprozessoren herzustellen. Es kann genutzt werden, um eine robustere Methode zur Speicherung von Quanteninformationen zu schaffen oder neue Funktionen in Materialien zu ermöglichen. Aber bevor wir das herausfinden können, müssen wir erst einmal verstehen, wie wir sie kontrollieren können.”

Quantenwände als Grundlage für Fortschritte in Quantentechnologie

Momentan handelt es sich also im wahrsten Sinne des Wortes erst mal nur um einen Quantensprung – also einen sehr kleinen Schritt nach vorne, aber letztlich könnte diese Fähigkeit, Quantenwände nach Belieben im Labor zu erschaffen, die Grundlage für unglaubliche neue Entwicklung in der Quantentechnologie sein. Und davon bin ich überzeugt: Irgendwann wird die Menschheit einen voll funktionsfähigen Quantencomputer herstellen, der die Rechenleistung aller bisherigen Geräte in den Schatten stellen wird und unsere Zivilisation auf ein komplett neues Level heben wird. 

Mehr über Quantendomänenwände erfahrt Ihr im folgenden Video:

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