Unser Sonnensystem befindet sich in einer gigantischen kosmischen Blase. Forscher fanden nun mehr über ihre spektakuläre Entstehung heraus.
Unser Sonnensystem ist Teil der Milchstraße. Wir sind eins von mehreren hundert Milliarden, nach einigen Schätzungen vielleicht sogar bis zu ein Billion, Sternsystemen in der Galaxis. Und wir befinden uns ganz am Rande der Milchstraße, sind also nur galaktische Randerscheinung – ganz im Gegensatz zur Selbsteinstufung vieler Menschen als Zentrum des Universums.
Die Galaxie ist durchzogen vom interstellaren Medium, einer Mischung aus Staub, Gas und kosmischer Strahlung. An einigen stellen verdichtet sich das interstellare Medium zu gut sichtbaren Molekülwolken. Unser Sonnensystem befindet sich in einer Art Aussparung des interstellaren Mediums, in der sogenannten lokalen Blase. Sie wurde erst vor wenigen Jahrzehnten durch eine Kombination aus optischer, Radio- und Röntgenastronomie entdeckt und nach und nach fand man heraus, dass sie eine riesige Region darstellt, die etwa 10 Mal weniger dicht ist als das durchschnittliche interstellare Medium in der Milchstraße. Eine riesige Hülle, in der unser Sonnensystem drin ist – das klingt ein wenig nach einer anderen Struktur, die unser Sonnensystem umgibt: Die Heliosphäre.

Wo ist also der Unterschied zwischen der Lokalen Blase und der Heliosphäre? Die Heliosphäre ist ebenfalls eine Hülle um unser Sonnensystem herum, aber sie ist wesentlich kleiner. So klein, dass sogar schon von Menschen gebaute Objekte sie verlassen haben, namentlich die Voyager Sonden, die jenseits der Heliosphäre durch den interstellaren Raum düsen. Innerhalb der Heliosphäre verdrängt der Sonnenwind, also ein Partikelstrom, der von der Sonne ausgestoßen wird, das interstellare Medium nahezu komplett. Man könnte also sagen, dass die lokale Blase eine Enklave innerhalb des interstellaren Mediums ist und die Heliosphäre eine Enklave innerhalb der Lokalen Blase. In der Lokalen Blase ist das interstellare Medium weniger dicht, in der Heliosphäre ist es fast vollständig verdrängt.
Einem Team von Forschern des Harvard & Smithsonian Center for Astrophysics ist es nun gelungen, die Blase so genau zu kartographieren wie noch nie zuvor. Und sie fanden heraus, dass unsere Lokale Blase eng verbunden ist mit der heftigen Explosion von riesigen Sternen! Aber immer der Reihe nach. Es ist gar nicht so einfach etwas über eine Struktur herauszufinden, in der man drin ist. Man stelle sich nur mal vor, man wolle das eigene Haus vermessen, kann aber das Wohnzimmer nicht verlassen. Um dennoch etwas über die Lokale Blase in Erfahrung zu bringen, nutzten die Forscher Daten des Gaia-Weltraumteleskop – dieses Weltraumteleskop dient der Kartierung der Positionen und Bewegungen von Sternen in der Milchstraße mit der bislang mit Abstand höchsten Präzision. Sie erstellten anhand der GAIA-Daten eine Karte des Gases und der jungen Sterne im Umkreis von etwa 650 Lichtjahre um unser Sonnensystem herum. Das brachte schon mal eine interessante Erkenntnis: Sie fanden heraus, dass sich alle jungen Sterne, also Sterne, die erst ein paar hundert Millionen Jahre alt sind – was für Sterne noch jung und knackig ist – und alle Sternentstehungsgebiete an der “Oberfläche” der lokalen Blase befinden. Die Erklärung dafür ist spektakulär: Innerhalb unserer Blase muss es einst jede Menge Supernova-Explosionen gegeben haben.

Wenn sich eine Supernova nach außen ausdehnt, komprimiert sie das Material, in das sie expandiert und schiebt es verdichtet immer weiter nach draußen. Dadurch entstehen dichte Ansammlungen von molekularem Gas am Rand des Ausdehnungsgebiet, die im interstellaren Medium schweben und dann unter ihrer eigenen Schwerkraft zusammenbrechen. Wenn dichte Gasnebel kollabieren, entstehen neue Baby-Sterne. Durch Supernova-Explosionen wurde das interstellare Medium also in bestimmte Bereiche zusammengequetscht, wodurch ein riesiger Leeraum entstanden ist, unsere lokale Blase.
Die Forscher konnten anhand der GAIA-Daten aber noch viel mehr Details über die Entstehung der Lokalen Blase zurückrechnen. Sie fanden heraus, dass die Geschichte der Blase vor etwa 14,4 Millionen Jahren begann, zunächst mit einer Periode der Sternentstehung, gefolgt von den Supernovae massereicher, kurzlebiger Sterne. 14,4 Millionen Jahren ist im kosmischen Maßstab gar nichts, quasi nur ein Augenblick. Zum Vergleich: Unsere Galaxis ist wohl schon über 10 Milliarden Jahre alt. Das Team hat errechnet, dass die Blase durch ungefähr 15 Supernova-Explosionen über diesen Zeitraum von 14,4 Millionen Jahren entstanden ist. Und die Blase dehnt sich immer noch nach außen aus, mit einer Geschwindigkeit von etwa 6,7 Kilometern pro Sekunde.

Bleibt noch eine große Frage: Warum ist unser Sonnensystem ausgerechnet im Zentrum der Lokale Blase? Antwort: Das ist ein reiner Zufall! Zu erklären ist das mit der Bewegung unseres Sonnensystems durch die Galaxis. Unser Sonnensystem rast um das Zentrum der Milchstraße mit einer Geschwindigkeit von 900.000 Kilometern pro Stunde. Wir benötigen 225 Millionen Jahre einmal um das Zentrum der Milchstraße herum, das bezeichnet man als ein galaktisches Jahr – und durch eben jene Bewegung ist unser Sonnensystem in die lokale Blase hineingeschlittert. Der Physiker und Astronom João Alves von der Universität Wien beschreibt es so:
“Als die ersten Supernovae, die die lokale Blase erzeugten, ausbrachen, war unsere Sonne weit vom Geschehen entfernt. Aber vor etwa fünf Millionen Jahren führte der Weg der Sonne durch die Galaxie genau in die Blase, und jetzt sitzt die Sonne – nur durch Zufall – fast genau im Zentrum der Blase.”
João Alves
Überall in der Galaxis befinden sich riesige Löcher, riesige Blasen im interstellaren Medium – eben überall dort, wo es zu vielen Supernova-Explosionen kommt und das interstellare Medium verdrängt wurde. Wenn man sich die Milchstraße also komplett mit Blasen durchlöchert vorstellt, dann erscheint es plötzlich gar nicht mehr so unwahrscheinlich, dass unser Sonnensystem auf seiner galaktischen Wanderung eben in das Zentrum einer solchen Blase hinein getrieben ist. Vielleicht wird es in einigen Millionen Jahren diese Blase verlassen und irgendwann eine neue erreichen.
Noch mehr über die gigantische kosmische Blase um uns herum erfahrt Ihr in diesem Video: