Explosiv: Oppenheimer und der Trinity-Test

Oppenheimers Atombombe

Der Trinity-Test war die erste Kernwaffenexplosion in der Menschheitsgeschichte. Wie hoch schätzten die Wissenschaftler damals das Risiko ein, eine Kettenreaktion in der Atmosphäre auszulösen und den gesamten Planeten zu vernichten, wie im neuen Film Oppenheimer besprochen wird?  

Derzeit ist der Film Oppenheimer in die Kinos gekommen und der Film, der die Lebensgeschichte des begnadeten Physikers Robert Oppenheimer, dem Vater der Atombombe, erzählt, kann sich vor jubelnden Kritiken kaum retten. Ich habe ihn vor drei Tagen im Kino gesehen und muss sagen, dass ich nicht begeistert war. Mir kamen in dem Film die wissenschaftlichen Aspekte viel zu kurz, außer ein paar Physikerklärungen auf Grundschulniveau erfahren wir nicht, was denn nun eigentlich der wissenschaftliche Durchbruch hinter der Atombombe war. Wir sehen einige der begnadetsten Physiker aller Zeiten wie Niels Bohr, Edward Teller, Albert Einstein und Richard Feynman, aber wir erfahren mit keinem Wort, was sie denn nun genau zur Spaltung des Atoms beigetragen haben. Vielleicht bin ich aber auch einfach nur mit den falschen Erwartungen in den Film gegangen und war etwas naiv, in so einem Blockbuster quantenphysikalische Tiefe zu erwarten.  

Über einen Aspekt des Films habe ich aber dann doch im Nachhinein länger nachgedacht. Zwischen den Physikern wird im Film oft die Sorge erwähnt, dass ein Nuklearwaffentest theoretisch eine aufhaltsame Kettenreaktion in der Erdatmosphäre auslösen könnte, die das Ende des Planeten und unserer Spezies bedeutet hätte. Heute wissen wir, dass es nicht so ist. Zahlreiche Kernwaffenexplosionen, so unerfreulich sie auch waren, haben nicht die Atmosphäre in einen apokalyptischen Brand gesetzt. Aber warum eigentlich nicht? Und wie sicher konnten sich Oppenheimer und Co sein, dass sie nicht den kompletten Planeten zerstören würden?  

Bau der Atombombe: der Einstein-Sziard-Brief  

Wir schreiben das Jahr 1939. Der zweite Weltkrieg tobt und viele berühmte Wissenschaftler wie Albert Einstein, Leó Szilárd und Edward Teller waren in die USA emigriert oder geflohen. Viele dieser Physiker hielten es für möglich, dass Deutschland an einer Kernwaffe arbeitete, an einer Atombombe, wie wir das heute nennen, und schrieben deswegen eine Art Warnbrief an US-Präsident Franklin D. Roosevelt.  

In diesem sogenannten Einstein-Szilárd-Brief warnten sie vor einer deutschen Atombombe und forderten, dass die USA ihr eigenes Programm zur Entwicklung einer nuklearen Waffe starten sollten. Das führte zum Start des Manhattan-Projekt, das ab 1942 unter der Leitung von Robert Oppenheimer das klare Ziel hatte, die erst wenige Jahre vorher entdeckte Kernspaltung militärisch nutzbar zu machen, eine Atombombe zu entwickeln und damit einen immensen militärischen Vorteil im Zweiten Weltkrieg zu haben.  

Das Manhattan-Projekt  

Oppenheimer brachte hier einige der genialsten Köpfe seiner Zeit, vermutlich sogar einige der größten Genies der Menschheitsgeschichte zusammen in einer eigens dafür errichteten Forschungsstadt bei Los Alamos in New Mexico. Insgesamt mit Logistik und allem Drum und Dran arbeiteten über 100.000 Menschen am Manhattan-Projekt und inflationsbereinigt wurden über 25 Milliarden Dollar ausgegeben. Eine unfassbare Summe, aber wenn ich so darüber nachdenke… Elon Musk hat für Twitter 44 Milliarden ausgegeben, er hätte damit also fast zwei Forschungsprojekte dieses Ausmaß sponsern können.

Die Trinity-Bombe kurz nach Fertigstellung (Los Alamos National Laboratory)
Die Trinity-Bombe kurz nach Fertigstellung (Los Alamos National Laboratory)

Das Manhattan-Projekt hat schließlich sein Ziel erreicht und mündete im Trinity-Test. Am 16. Juli 1945 erfolgte in einigen Kilometern Entfernung zur Forschungsstadt, im sogenannten White Sands Proving Ground, die erste Kernwaffenexplosion der Menschheitsgeschichte. Das fand ich übrigens im Oppenheimer-Film sehr gelungen, da hier größte Sorgfalt auf die Original-Soundkulisse einer solchen Explosion gelegt wurde und man hiervon in Kinos mit guten Soundsystem wirklich komplett in den Sessel gedrückt wird.

Unten sehen wir eine Aufnahme der Explosion 0,025 Sekunden nach der Zündung. Stellt euch das mal vor: Die beteiligten Physiker des Manhattan-Projekts stehen da, warten auf die Detonation und konnten sich nicht sicher sein, was passieren würde – denn es war ja schließlich die erste Kernwaffendetonation jemals.  

Und es gab zu dieser Zeit ernsthafte Stimmen in der Wissenschaft, die es für möglich hielten, dass bei so einer Kernwaffe eine unaufhaltsame Kettenreaktion ausgelöst würde, die letztlich die Atmosphäre des Planeten erfassen und ALLES vernichten würde.  

Aber warum hielten das überhaupt einige für möglich? Die Idee war folgende: Die gewaltige Feuerkugel, die von der Bombe erzeugt wird, heizt Stickstoffatome in der Atmosphäre so stark auf, dass ihre Atomkerne, die sogenannten Nuklei, miteinander verschmelzen. Die freigesetzte Energie führt dazu, dass sich mehr Kerne verschmelzen, was eine unkontrollierte Kettenreaktion auslöst und die Atmosphäre in Brand setzt. Und so endet die Welt.  

Trinity-Explosion 0,025 Sekunden nach Zündung (Berlyn Brixner _ Los Alamos National Laboratory)
Trinity-Explosion 0,025 Sekunden nach Zündung (Berlyn Brixner _ Los Alamos National Laboratory)

Auch der berühmte deutsche Physiker Werner Heisenberg teilte anfangs diese Sorge. Aus den Memoiren von Albert Speer wissen wir: „Heisenberg hatte keine abschließende Antwort auf meine Frage gegeben, ob eine erfolgreiche Kernspaltung mit absoluter Sicherheit unter Kontrolle gehalten werden könne oder als Kettenreaktion weitergehen könne. Hitler war offensichtlich nicht erfreut darüber.”  

Was passiert bei einer Kernwaffenexplosion?  

Schauen wir uns das mal genau an. Eine Kernwaffenexplosion basiert auf der Kernspaltung, also der Aufspaltung von Atomkernen, oder der Kernfusion, dem Verschmelzen von Atomkernen. Es gibt zwei Haupttypen von Atomwaffen: Atombomben und Wasserstoffbomben. Atombomben wie beim Trinity-Test nutzen die Kernspaltung von schweren Atomkernen, wie zum Beispiel Uran-235 oder Plutonium-239.  

Eine unterkritische Masse des spaltbaren Materials wird durch ganz gewöhnliche Explosivstoffe wie beispielsweise TNT in eine überkritische Masse komprimiert. Die kritische Masse ist die Menge an spaltbarem Material, die benötigt wird, um eine selbsterhaltende Kettenreaktion zu erzeugen. Wenn die kritische Masse erreicht wird, dann spalten sich die Atomkerne, und eine gewaltige Menge an Energie wird freigesetzt, in Form von Hitze, Licht, Druckwelle und radioaktiver Strahlung.  

Beispielhafte Darstellung einer nuklearen Kettenreaktion (Fastfission _ Wikimedia Commons)
Beispielhafte Darstellung einer nuklearen Kettenreaktion (Fastfission _ Wikimedia Commons)

Eine Wasserstoffbombe hingegen ist keine Kernspaltungswaffe, sondern eine Kernfusionswaffe, hier werden die Wasserstoffisotope Deuterium und Tritium zum Verschmelzen gebracht. Woher bekommt die dafür nötige immense Energie? Logisch, durch Kernspaltung. Anders gesagt, eine Kernfusionswaffe benötigt eine Kernspaltungswaffe, um hochzugehen.  

Für uns heute ist aber die Atombombe, die Kernspaltungswaffe, relevant, wie sie beim Trinity-Test und dann später in Hiroshima und Nagasaki eingesetzt wurde. Wenn in einer solchen Bombe eine selbsterhaltende Kettenreaktion ausgelöst wird, dann ist der Gedanke ja nicht so fernliegend, dass diese Kettenreaktion auch weitere Atome erfassen könnte, bis die Spaltung von Atomkernen in einem exponentiell ansteigenden Tempo geschieht.  

Globale Kettenreaktion  

Eine solche unkontrollierte Kettenreaktion hätte, so die Befürchtung damals, katastrophale Folgen, weit über die Umgebung des Detonationsort hinaus. Die Wasserstoffatome in der Atmosphäre könnten Teil der Kettenreaktion werden und so eine globale Kettenreaktion, einen atomaren Feuersturm auslösen. Physiker und Nobelpreisträger Arthur Compton, der damals auch innerhalb des Manhattan-Projekts arbeitete, sagte zu der Zeit: „Wasserstoffkerne sind instabil und können sich unter großer Energiefreisetzung zu Heliumkernen verbinden, wie sie es auf der Sonne tun. Könnte nicht die enorm hohe Temperatur der Atombombe genau das sein, was nötig ist, um Wasserstoff zur Explosion zu bringen?” Er fügte dann noch einen Gedanken hinzu, der bei mir bei der alleinigen Vorstellung wirklich das Blut in den Adern gefrieren lässt: „Und was ist dann mit Wasserstoff im Meerwasser? Könnte die Explosion der Atombombe nicht eine Explosion des Ozeans selbst auslösen?”  

Und diese Horrorgedanken lassen sich nicht nur mit Wasserstoff anstellen, sondern beispielsweise auch mit dem Stickstoff, der als Gas 78 Prozent der Atmosphäre ausmacht. In Los Alamos hatte man minutiös ausgerechnet, wie hoch die Gefahr für den planetaren Feuersturm ist. In einem 1946 erschienenen Bericht von drei Manhattan-Projekt-Physikern heißt es: „Es zeigt sich, dass unabhängig von der Temperatur, auf die ein Teil der Atmosphäre erhitzt wird, wahrscheinlich keine sich selbst ausbreitende Kette nuklearer Reaktionen in Gang gesetzt wird. Es ist unmöglich, eine solche Temperatur zu erreichen, wenn nicht Spaltbomben oder thermonukleare Bomben eingesetzt werden, die die derzeit in Betracht gezogenen Bomben bei weitem übertreffen.”  

Die größte Bombe der Welt  

Und wie wir heute wissen, waren wir selbst mit der stärksten Bombe der Menschheitsgeschichte weit davon entfernt, die Atmosphäre in Brand zu setzen. Die größte Bombe, die jemals gezündet wurde, war die gigantische Zar-Bombe der Sowjetunion aus dem Jahr 1961. Die war stark genug, um Fenster in mehr als 800 Kilometer Entfernung zu zertrümmern. Sie war anderthalbtausend-mal stärker als die Bomben von Hiroshima und Nagasaki zusammen. Und der atmosphärische Feuersturm blieb aus.  

Warum? Weshalb setzte sich die atomare Kettenreaktion bei diesen Detonationen nicht unbegrenzt fort? Eine Antwort haben wir eben schon gehört und diese spiegelt sehr gut die schöne Schlichtheit der Physik wider: Man kann die Atmosphäre theoretisch in Brand setzen, aber man braucht dafür einfach viel mehr Energie.  

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Bei der Trinity-Explosion hingegen war der Energieverlust viel zu hoch für ein solches Szenario. Es wurde zwar eine enorme Menge Energie freigesetzt, aber diese Energie wird in Form von Hitze, Licht, Druckwelle und radioaktiver Strahlung abgegeben. Selbst unter extremen Bedingungen würde bei der Detonation der Bombe weit mehr Energie verloren gehen als gewonnen werden würde, wodurch eine nachhaltige Kettenreaktion verhindert wird.  

Die Ineffizienz der Kernspaltung  

Hinzu kommt, dass die Menge des spaltbaren Materials zu gering war. Für eine kontrollierte Kettenreaktion ist eine bestimmte Menge an spaltbarem Material erforderlich, die als kritische Masse bezeichnet wird, wie wir schon gelernt haben. Selbst die größten Atombomben enthalten nicht genug spaltbares Material, um die kritische Masse zu erreichen, die für eine unkontrollierte Kettenreaktion erforderlich wäre.  

Ein weiterer Aspekt, der die Weltuntergangskettenreaktion unmöglich macht, ist die Ineffizienz der Kernspaltung. Nur ein kleiner Prozentsatz der Atome im spaltbaren Material wird bei einer Atombombenexplosion tatsächlich gespalten. Um eine Kettenreaktion aufrechtzuerhalten, müssten praktisch alle spaltbaren Kerne gespalten werden, was in der Praxis nicht möglich ist. Selbst wenn man es schaffen würde, eine gigantomanische Megabombe mit der perfekten atomaren Kettenreaktion zu bauen, wären außerdem die Bedingungen in der Atmosphäre nicht optimal, da wir überall unterschiedliche Dichte, Druckbedingungen und Temperaturen haben. Für eine Kettenreaktion wäre die Atmosphäre wesentlich besser geeignet, wenn sie überall gleichmäßigere Bedingungen aufweisen würde. Ich weiß, ganz schön harter Tobak, deswegen hier noch mal zusammengefasst die Gründe, weswegen Oppenheimer die Erde nicht gänzlich pulverisiert hat und auch keine andere Nuklearexplosion:  

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Erstens: Der Energieverlust ist zu groß, zweitens: die Menge des spaltbaren Materials ist zu gering, drittens: die Kettenreaktion ist zu ineffizient, viertens: die Bedingungen in der Atmosphäre sind nicht optimal für eine Kettenreaktion   Das dürfte den meisten Beteiligten des Manhattan-Projekts auch bekannt gewesen sein. Es ist aber natürlich trotzdem absolut richtig, dass die Möglichkeit diskutiert und durchgerechnet wurde. Ich meine, niemand möchte gerne derjenige sein, der versehentlich den Planeten vernichtet. Wie sicher waren die Los-Alamos-Physiker sich? Daniel Holz, Physik-Professor an der Universität Chicago formuliert es so: „Man spricht in der Physik nicht oft in Gewissheiten. Physiker sprechen in Wahrscheinlichkeiten. Wenn sie das Experiment nicht durchgeführt haben, zögern sie zu sagen: Das ist unmöglich, das wird nie passieren. Es war gut, darüber nachzudenken.“

Ihr wollt die Originalaufnahmen der Trinity-Explosion sehen? Die gibt’s in diesem Video:

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Die unfassbare Geschichte hinter dem Demon Core

Der Demon Core

Mit dem Dämonenkern sollte eine dritte Atombombe gebaut werden, doch das Objekt tötete zwei der Forscher auf bizarre Art und Weise – diese Geschichte ist wirklich skurril.

Der Zweite Weltkrieg endete kurz nach dem Einsatz der amerikanischen Atombomben in Hiroshima und Nagasaki. Dass das japanische Kaiserreich danach kapitulieren würde, war aber nicht klar, und deswegen arbeitete man in den USA an einer dritten Atombombe. Der Kern dieser Atombombe war eine 6,2 Kilogramm schwere Plutoniumkugel, die man heute Dämonenkern oder auf Englisch Demon Core nennt. Diesen Spitznamen hat sie sich wirklich verdient. Aber weshalb haben die USA diesen Plutoniumkern überhaupt nach dem Ende des zweiten Weltkriegs behalten?

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Die Forschung an Atomwaffen ging nach dem Krieg weiter und obwohl es seitdem nicht mehr zu einem Kriegseinsatz kam, gab es durchaus Einsätze im Rahmen von Tests. Der Demon Core sollte ursprünglich im Rahmen der Operation Crossroads eingesetzt werden, eine Serie von Atombombentests, die von den USA durchgeführt wurden, um die Auswirkungen von Kernwaffen auf Kriegsschiffe zu untersuchen.

Im Rahmen der Operation Crossroads kam es zu zwei Kernwaffentests mit den Bezeichnungen Able und Baker. Diese Tests erfolgten auf dem Bikini-Atoll im Pazifischen Ozean. Der Demon Core wurde aber nicht bei einem solchen Test eingesetzt, sondern vorher eingeschmolzen und das vermutlich wegen der tragischen Ereignisse, die er ausgelöst hat

Der Baker-Test (United States Department of Defense)
Der Baker-Test (United States Department of Defense)

Unfall mit dem Demon Core

Der erste Unfall geschah am 21. August 1945. Der Physiker Harry Daghlian führte ein Experiment durch, das darauf abzielte, die kritische Masse des Plutoniumkerns zu bestimmen. Er wollte herausfinden, wie nahe der Kern an den Bedingungen für eine selbsttragende Kettenreaktion war. Das ist eine entscheidende Information für das Verständnis der Neutronenphysik und der Funktionsweise von Kernwaffen. 

Was eine solche Kettenreaktion in einem Plutoniumkern genau ist, schauen wir uns gleich noch genauer an. Harry Daghlian baute Wolframcarbid-Blöcke um den Demon Core auf, um dessen kritische Masse zu untersuchen. Wolframcarbid ist ein Material, das Neutronen reflektiert, und deswegen fungierte es in diesem Experiment als Neutronenreflektor um den Demon Core. Unten seht Ihr einen Nachbau des Versuchs und um die Plutoniumkugel herum die Wolframcarbid-Blöcke. 

Rekonstruktion des Experiments von Harry Daghlian (Los Alamos National Laboratory)
Rekonstruktion des Experiments von Harry Daghlian (Los Alamos National Laboratory)

Indem man den Plutoniumkern mit Wolframcarbid umgibt, erhöht man die Anzahl der Neutronen im Kern, die zur Aufrechterhaltung einer Kettenreaktion benötigt werden. Natürlich wollte Daghlian keine kritische Kettenreaktion erreichen, sondern durch Anzahl und Justierung des Wolframcarbid unter sicheren Bedingungen herausfinden, wie der Demon Core worauf genau reagiert. Aber was dann passierte, ist wirklich unfassbar. 

Demon Core: unkontrollierbare Kettenreaktion

Harry Daghlian ließ versehentlich einen Wolframcarbid-Blöcke auf den Demon Core fallen. Nachdem, was ihr gerade gelesen habt, könnt ihr euch vorstellen, was das ausgelöst hat. Der Kern wurde plötzlich viel näher an die kritische Masse gebracht, es wurde eine unkontrollierte Kettenreaktion ausgelöst und eine immense Strahlung wurde erzeugt. Harry Daghlian entfernte den Block sofort, um die Reaktion zu stoppen, aber in dieser kurzen Zeit erhielt er bereits eine tödliche Dosis von Strahlung in Höhe von knapp 5,1 Sievert. 

Weniger als einen Monat später verstarb er an der Strahlenkrankheit. Jetzt würde man meinen, dass nach diesem Vorfall die Sicherheitsvorkehrungen am Los Alamos National Laboratory, wo der Unfall geschah, erhöht wurden — nicht wirklich, muss man sagen. Denn weniger als ein Jahr später, am 21. Mai 1946 geschah der nächste tragische Unfall, dessen Ablauf wirklich noch unfassbarer klingt. 

Zweiter Unfall mit Demon Core

Der Physiker Louis Slotin, übrigens guter Freund von Harry Daghlian, arbeitete am Demon Core. Das Experiment, das er durchführte, trug den Namen “tickling the dragon’s tail”, also den Schwanz des Drachen kitzeln und es ist irgendwie genau das passiert, was man erwarten würde, wenn man den Schwanz eines Drachens kitzelt, nämlich eine Katastrophe. In diesem Experiment wurden zwei Halbkugeln aus Beryllium verwendet, die als Neutronenreflektor dienten, also die Funktion erfüllten, die im ersten Experiment die Wolframcarbid-Blöcke hatten. 

Diese Halbkugeln wurden um den Demon Core platziert, um die Anzahl der im Kern verbleibenden Neutronen zu erhöhen und so die Nähe zum kritischen Punkt vor einer unkontrollierbaren Kettenreaktion zu untersuchen. Louis Slotin wollte in dem Experiment die beiden Beryllium-Halbkugeln langsam aufeinander zuführen und testen, wie der Demon Core reagiert. 

Rekonstruktion des Experiments von Louis Slotin (Los Alamos National Laboratory)
Rekonstruktion des Experiments von Louis Slotin (Los Alamos National Laboratory)

So weit, so irre und jetzt wird es aber wirklich bizarr: Um zu verhindern, dass die beiden Halbkugeln vollständig zusammengesetzt wurden und den Kern so vollständig umschließen – was nämlich eine nukleare Kettenreaktion ausgelöst hätte –, waren eigentlich Distanzhalter vorgesehen, Slotin nutzte aber lediglich einen Schraubenzieher, um sie getrennt zu halten, unten seht Ihr wieder eine Nachstellung des Experiments. Ihr habt richtig gehört, vom nuklearen Fiasko und dem eigenen Tod trennte Louis Slotin nur ein Schraubenzieher zwischen den beiden Halbkugeln. Es kam dann auch wie es kommen musste, der Schraubenzieher entglitt ihm, die beiden Halbkugeln umschlossen den Demon Core nun komplett und es entfaltete sich abermals eine kritische nukleare Kettenreaktion. 

Tscherenkov-Strahlung entstand

Kollegen von Slotin beschrieben später ein blaues Glimmen um den Kern herum, die sogenannte Tscherenkov-Strahlung, die auch in Kernkraftwerken sichtbar wird. Slotin spürte darüber hinaus einen sauren Geschmack im Mund und ein Brennen in der linken Hand. Obwohl Slotin die Kugeln schnell wieder voneinander trennte und dadurch die überkritische Reaktion beendete, war es schon zu spät. Er starb nur neun Tage später an der Strahlenkrankheit. 

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Zwei unglaublich tragische und bizarre Unfälle und was daran wirklich tragisch ist, ist, dass sowohl Harry Daghlian als auch Louis Slotin als erfahrenen Kernphysikern in dem Moment des Unfalls schon klar gewesen sein dürfte, was dieser kurze Moment der Unachtsamkeit den eigenen Tod bedeuten würde. 

Aber wie kann es sein, dass durch so kleine Fehlgriffe die Strahlenbelastung so immens hoch wird. Erstmal: Die Kettenreaktionen, die während der tödlichen Unfälle mit dem Demon Core auftraten, waren nicht stark genug, um eine vollständige Kernexplosion auszulösen. Eine einsatzfähige Atombombe enthält noch wesentlich mehr Elemente als nur einen solchen Plutoniumkern, zum Beispiel noch verstärkenden Sprengstoff. 

Wenn Kernspaltung eintritt

Der Demon Core stand nie kurz vor der nuklearen Explosion, aber erreichten einen Zustand, der als “kritisch” bezeichnet wird. In dem Fall im wahrsten Sinne des Wortes. In einem solchen Zustand entsteht eine selbstständige Kettenreaktion, bei der sich die Anzahl der Neutronen in dem Material stabilisieren oder langsam ansteigt, aber nicht so schnell wie in einer unkontrollierten, explosionsartigen Kettenreaktion. Ganz grob geschieht Folgendes: Die Kettenreaktion beginnt, wenn ein Neutron in den Plutoniumkern eindringt und von einem Plutonium-239-Atom aufgenommen wird. Dadurch wird das Plutonium-239 in Plutonium-240 umgewandelt – und das ist instabil.

Daher zerfällt dann das Plutonium-240, indem es sich in zwei kleinere Atomkerne, sogenannte Spaltprodukte, aufspaltet. Bei diesem Prozess, den Ihr sicherlich besser unter dem Namen Kernspaltung kennt, wird eine große Menge Energie in Form von Wärme und Gammastrahlung freigesetzt. Leider werden dabei Neutronen freigesetzt,  die wiederum auf weitere Plutonium-239-Atome treffen und diese ebenfalls spalten, wodurch noch mehr Energie und Neutronen freigesetzt werden. Ihr seht worauf das hinausläuft: Eine exponentiell stärker werdende Kettenreaktion und genau das hat sich in den wenigen Sekunden abgespielt, in denen den beiden Forschern jeweils ihr neutronenflektierendes Missgeschick unterlaufen ist. Die Geschichte des Demon Core zeigt deutlich, mit was für einer immensen Kraft wir es bei der Kernspaltung zu tun haben. Ebenso erschreckend wie faszinierend.

Wollt ihr noch mehr über dieses Thema erfahren, dann schaut euch unbedingt mal dieses Video an:

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