Das unglaubliche Geheimnis der Wallace-Linie

Die Wallace-Linie

Eine unsichtbare Linie, die gleichzeitig real und nicht real ist, trennt zwei Welten voneinander. Wir schauen uns diese mysteriöse Grenze, genannt Wallace-Linie, in diesem Beitrag mal ganz genau an.

Stellt euch mal vor, ihr würdet gerade auf Bali stehen. Wäre ja nicht das Schlimmste, oder? Und am Horizont seht Ihr die nur 32 Kilometer entfernte Insel Lombok. Man würde ja meinen, dass diese beiden Inseln sich in Flora und Fauna nicht groß unterscheiden, oder? Sie liegen direkt nebeneinander, in derselben Klimazone, also irgendwie so ein bisschen wie Sylt und Föhr, oder? Da erwartet uns wahrscheinlich keine großartig andere Tierwelt, die Wahrscheinlichkeit, dass eine Möwe meine Pommes klaut, ist auf beiden Inseln ähnlich groß. 

Nicht aber so auf Bali und Lombok, denn diese Inseln befinden sich in völlig unterschiedlichen Welten, obwohl sie nur wenige Kilometer voneinander entfernt sind. Und Schuld daran ist diese unsichtbare Linie, eine Grenze, die ebenso imaginär ist wie real. Sie führt dazu, dass die Inseln östlich und westlich von ihr sich in ihrer Tier- und Pflanzenwelt unterscheiden. 

Flora und Fauna unterscheiden sich auf den beiden Seiten der Wallace-Linie deutlich
Flora und Fauna unterscheiden sich auf den beiden Seiten der Wallace-Linie deutlich

Ein Orang Utan könnte euch auf der Insel Borneo eure Pommes klauen. Ein bisschen weiter westlich auf der Insel Sulawesi hingegen ist das unmöglich, weil es dort keine Orang Utans gibt. Dafür gibt es dort aber den charmanten Schmucklori, den Ihr wiederum auf Borneo niemals treffen würdet. Die Beispiele für solche markanten Unterschiede in der Tierwelt der südostasiatischen Inseln sind zahlreich. Der erste, der dies erkannte, war der britische Naturforscher Alfred Russel Wallace, der unabhängig von Charles Darwin Ideen zur Evolutionstheorie entwickelte und heute zu Unrecht in Vergessenheit geraten ist. 

Die Wallace-Linie als unsichtbare Grenze

Die Idee zur natürlichen Selektion kam ihm in einem Fiebertraum auf einer Reise durch die malaiische Inselwelt. Und später auf derselben Reise erkannte er die Existenz der natürlichen Grenze zwischen den Inseln. Diese unsichtbare Grenze, die er im malaiischen Archipel feststelle, ist heute nach ihm benannt und heißt Wallace-Linie. 

Eine von Alfred Russel Wallace angefertigte Karte der südostasiatischen Inseln
Eine von Alfred Russel Wallace angefertigte Karte der südostasiatischen Inseln

Doch wie ist das zu erklären? Inseln, die teilweise nur wenige Kilometer voneinander entfernt sind, auf denen exakt die gleichen Bedingungen wie Temperatur und Luftfeuchtigkeit vorherrschen, besitzen unterschiedliche Pflanzen- und Tierspezies. Wissenschaftler nennen so etwas eine biogeografische Linie und eins war Wallace unmittelbar klar: Mit Entfernungen hat das nichts zu tun, denn einige Inseln auf unterschiedlichen Seiten der Wallace-Linie sind näher aneinander als Inseln auf derselben Seite. 

Mehr Science-News? Dann hol dir unseren Newsletter!

Wird verarbeitet …
Erledigt! Sie sind auf der Liste.

Andere mysteriöse Kräfte müssen hier also am Werke sein und zwar: Geologie. Wallace erkannte, dass die geologische Vergangenheit die biologische Gegenwart prägt, die zentrale Einsicht, die zur Entwicklung der Biogeographie als eigenständige Wissenschaft führte. Und das wirklich spannende an der Biogeographie ist, dass wir dadurch anhand der aktuellen Pflanzen- und Tierwelt auf große geologische Umwälzungen der Vergangenheit schließen können. 

Geographie und Ozeanströmungen sind entscheidend

Anhand der südostasiatischen Inseln und der Wallace-Linie können wir nun sagen, dass alle Inseln westlich der Linie mal zum asiatischen Festland gehört haben müssen. Denn dort leben große Landsäugetiere wie Tiger, Nashörner und Elefanten, die wir auch auf dem Festland finden. Die Inseln östlich der Linie scheinen geographisch eher mit Australien verbunden zu sein, hier finden wir große Echsen wie Komodowarane und Beuteltiere wie den Bärenkuskus. 

Wallace hatte richtig erkannt, dass geographische Veränderungen eine Ursache für die Wallace-Linie sind und dass starke Ozeanströmungen die Spezies davon abhalten, sich über die Linie hinaus auf andere Inseln zu verbreiten. Eine andere wesentliche Ursache für die unsichtbare Grenze konnte Wallace aber noch nicht kennen: Plattentektonik.

Plattentektonik sorgt für Unterschiede

Die Idee der Plattentektonik ist erst seit den 1960er Jahren weitgehend akzeptiert, auch wenn es für uns heute selbstverständlich ist, dass die äußere Schicht der Erde, die Lithosphäre, in mehrere große tektonische Platten unterteilt ist. Diese Platten bewegen sich langsam über den plastischen Untergrund des Erdmantels. Und diese Plattenbewegungen führen zur Bildung von Gebirgen, Tiefseegräben, Erdbeben und Vulkanen. Die Plattentektonik ist eine fundamentale Erklärung für die geologischen Phänomene und Veränderungen, die auf der Erdoberfläche auftreten. Aber zur Zeit von Alfred Russel Wallace wusste man das noch nicht. 

Die Inselwelt von Malaysia, Indonesien, Papua-Neuguinea und Co ist einer der tektonisch interessantesten Orte der Welt, denn hier treffen vier Platten aufeinander: die philippinische, eurasische, australische und pazifische Platte. Das führt zu extremen Vulkanismus. Und die Plattentektonik hat maßgeblich die Wallace-Linie hervorgebracht. 

Die Urkontinente Sunda und Sahul (Maximilian Dörrbecker _ Wikimedia Commons)
Die Urkontinente Sunda und Sahul (Maximilian Dörrbecker _ Wikimedia Commons)

Wallace-Linie: Westen und Osten

Vor langer Zeit, vor Millionen Jahren existierten in der Region zwei Urkontinente: Sahul und Sunda. Und Ihr erratet es schon: Sahul umfasste den größten Teil des heutigen Australiens, Neuguineas und der umliegenden Inseln, also alles östlich der Wallace-Linie und Sunda den Bereich der heutigen Malaiischen Halbinsel, Indonesiens und einiger umliegender Inseln, also den Bereich westlich der Wallace-Linie. Und erst vor 20 bis 25 Millionen Jahre näherten sich Sahul und Sunda an und wurden Nachbarn. Das erklärt auch, weshalb gerade die australische Tierwelt so einzigartig ist mit Tierarten, die es nirgendwo anders gibt. Weil Sahul für einen ewig langen Zeitraum komplett isoliert war. 

Und jetzt reisen wir mal in eine etwas näherere Vergangenheit, in der in Europa noch Mammuts umherzogen. Zu dieser Zeit herrschte noch eine Eiszeit und der Meeresspiegel war viel niedriger. Doch dann vor 8.000 Jahren begannen die dicken Eisschilde zu schmelzen und der Meeresspiegel stieg, ein großer Teil der heutigen Inselwelt in Südostasien war vorher Teil der Landmassen von Sahul und Sunda und erst durch den Meeresspiegelanstieg entstanden die heute existierenden Inseln. 

Schwarzes Loch, Weißes Loch, Astro-Tim

Kennst du schon das neue plüschige Schwarze Loch? Das zum Weißen Loch werden kann?

Doch einige Inseln, genau in der Mitte, waren weder Teil von Sahul noch Sunda. Diese Region bezeichnet man als Wallacea, die Zwischenregion zwischen Sahul und Sunda, das Bindeglied zwischen australischer und asiatischer Flora und Fauna. Diese Zwischeninseln bilden zwar eine Sonderrolle, wurden aber größtenteils von australischen Spezies besiedelt, so dass sie heute als rechts von der Wallace-Linie gezählt werden können.

Astronautennahrung, Eisenmeteorite und Plüschplaneten: In unserem Weltraum-Shop bleibt kein Wunsch offen. Kommt vorbei und stöbert in unseren Weltraum-Produkten.

Impressum und Datenschutz