Ist die Raumzeit flüssig?

Flüssige Raumzeit

Die Raumzeit und damit das Wesen des gesamten Universums könnte komplett anders sein, als wir bisher dachten. Wissenschaftler gehen davon aus, dass die Raumzeit flüssig ist. 

Wir sollten uns alle mal bei Albert Einstein bedanken – denn ohne ihn hätten wir nach wie vor keine Ahnung, wie das Universum überhaupt funktioniert. Er fand heraus, dass Raum und Zeit untrennbar zusammen gehören und gemeinsam die Raumzeit bilden. Diese Raumzeit lässt sich beeinflussen und zwar durch Masse. Schwarze Löcher beispielsweise sind dafür bekannt, die Raumzeit an einem gewissen Punkt massiv zu krümmen. Aber letztlich tut das jede Masse.

Wird verarbeitet …
Erledigt! Sie sind auf der Liste.

Doch vieles daran ist noch ungeklärt, vor allem die Frage: Was genau ist denn die Raumzeit? Sie scheint ja zu existieren. Sie lässt sich beeinflussen und meistens wird sie wie so eine Art Gitternetz oder Trampolin dargestellt. Aber das ist nur eine behilfsmäßige Visualisierung. In Wahrheit ist die Raumzeit natürlich kein Trampolin, sondern eine allgegenwärtige Konstante im Kosmos, die sich aber im Prinzip unserem Verstand entzieht. 

Darstellung des Raumzeitnetzes
Wie ein Trampolin: Unser Raumzeitnetz

Was ist die Raumzeit?

Einige Physiker haben eine ziemlich verrückte Antwort darauf, was die Raumzeit denn tatsächlich sein könnte. Sie sagen: Die Raumzeit ist eine Flüssigkeit und zwar eine ganz besondere. Man spricht von einem sogenannten Superfluid! Sind wir umgeben von einer mehrdimensionalen Flüssigkeit, die den Kosmos wie ein unsichtbarer Ozean durchzieht? Gut möglich, aber um das zu klären, müssen wir erst mal verstehen, wo diese Theorie einhakt und zwar genau zwischen Relativitätstheorie und Quantenphysik. 

Mit der Relativitätstheorie lassen sich im Prinzip alle großen Prozesse im Kosmos beschreiben: Das Verhalten von Himmelskörpern wie Planeten und Galaxien, Gravitation, Lichtgeschwindigkeit – das alles ist Inhalt der Relativitätstheorie. Aber die ganz Prozesse im ganz Kleinen lassen sich damit nicht erfassen, hierfür bedarf es der Quantenmechanik, dem Teil der Physik, mit dem sich das Verhalten subatomarer Teilchen erklären lässt. 

Nun ist es allerdings so, dass Relativitätstheorie und Quantenmechanik nicht immer perfekt miteinander harmonieren, sondern es einige Konflikte gibt, die bislang noch ungeklärt sind. Der Hauptstreitpunkt ist die Gravitation, denn die ist die einzige fundamentale Kraft des Kosmos, die sich bislang noch nicht auf Quantenebene erklären lässt. Die Klärung des Verhältnis zwischen diesen beiden Theorien und die Suche nach einem Quantenschwerkrafttteilchen sind die wichtigsten Themen der modernen Physik. Und eine mögliche Verbindungstheorie ist die Quantengravitation, die wiederum mehrere Ideen umfasst, wie das Prinzip der Schwerkraft mit quantenphysikalischen Prozessen zu erklären sei. 

Flüssigkeit aus winzigen Elementarteilchen

Es geht also darum einen subatomaren Prozess zu finden, der die Schwerkraft erklärt. Und hier kommt jetzt die Raumzeit als Flüssigkeit ins Spiel. Die Raumzeit könnte aus Elementarteilchen bestehen, die derart winzig sind, dass sie sich wie eine Flüssigkeit zusammenfügen. Ganz ähnlich wie das Verhalten von Wasser durch die Interaktionen der Moleküle, aus denen es besteht, geprägt wird, wäre dann die Raumzeit durch Effekte ihrer Quantenbausteine geprägt. Und so eine Quantenflüssigkeit bezeichnet man eben als Superfluid. 

Ein Ozean auf Quantenebene
Könnte unser Universum von einem Ozean durchflutet sein?

Da das sehr komplex ist, formuliere ich es noch mal anders: Die Gesetzmäßigkeiten der Allgemeinen Relativitätstheorie wären dann das Ergebnis der Eigenschaften dieser Superflüssigkeit – ähnlich wie die Hydrodynamik, die das Verhalten von normalen Flüssigkeiten auf makroskopischer Ebene beschreibt. Der italienische Forscher Stefano Liberati beschreibt es so: “Wenn wir die Analogie mit Flüssigkeiten weiterdenken, dann müssen wir auch seine Viskosität in Betracht ziehen. Und wenn die Raumzeit eine Flüssigkeit ist, dann muss es unseren Berechnungen nach ein Superfluid sein. Das bedeutet, seine Viskosität ist extrem niedrig, nahe Null.” 

Quantenflüssigkeit im Kosmos

Was würde das für andere Naturkonstanten wie die Lichtgeschwindigkeit bedeuten, wenn der Kosmos wirklich mit Quantenflüssigkeit gefüllt wäre? Wir können ja feststellen, dass das Licht von milliardejahren alten Galaxien zu uns gelangt. Das James Webb Teleskop hat uns mit fantastischen Aufnahmen der ältesten Galaxien des Kosmos versorgt, die vor mehr als 13 Milliarden Jahren kurz nach dem Urknall entstanden sind. Das Licht dieser ersten Sterneninseln erreicht uns durch gigantische Abstände in Raum und Zeit, was im Umkehrschluss eben bedeuten muss, dass das Raumzeit-Superfluid sehr durchlässig ist. Es handelt sich also nicht um einen dickflüssigen Raumzeit-Milshshake. 

Nicht flüssig aber gefriergetrocknet: Leckere Astronautennahrung für die Mittagspause!

Aber die Viskosität, also die Dickflüssigkeit, könnte ja nicht komplett null sein. Einen gewissen, sehr kleinen Wert müsste sie haben. Und das ist eine sehr gute Nachricht, denn so können wir die Theorie überprüfen. Stellt euch mal vor, ihr habt eine Flüssigkeit und Licht durchquert sie. Dann können wir ausrechnen, welchen Einfluss die Flüssigkeit auf das Licht hatte. Wenn der Weltraum gar gefüllt wäre mit einer richtig dickflüssigen Substanz wie Milchshake, dann könnten wir die Auswirkungen auf das Licht ganz einfach feststellen, denn Lichtgeschwindigkeit in Schoko-Milkshake ist geringer als Lichtgeschwindigkeit im Vakuum. 

Lichtgeschwindigkeit
Fun Fact: Im Milkshake fliegt das Licht langsamer

Wenn die Raumzeit also tatsächlich eine Flüssigkeit ist, dann müsste es eine ganz winzige Viskosität geben, die zu minimalen Streuungseffekten des Lichts führen würde. Und die könnten wir dann messen. Stefano Liberati sagt: “Sollte dies passieren, dann hätten wir ein starkes Indiz für die Modelle einer aus Quantengrundlagen entstehenden Raumzeit. Man kann sich kaum eine aufregendere Zeit vorstellen, um über die Gravitation zu forschen.”

Bislang ist eine solche Messung aber leider noch nicht gelungen. Das muss aber nichts heißen, denn es wäre extremst schwierig diese winzigen Effekte festzustellen. Wir reden hier über minimalste Streuungen oder Energieverluste von Elementarteilchen, die sich womöglich mit unseren derzeitigen technischen Mitteln eben einfach noch nicht feststellen lassen. Man müsste Gammastrahlen und hochenergetische Neutrinos, die man auch als Geisterteilchen bezeichnet, aus den Tiefen des Weltraums analysieren, um dann eine etwaige Energieverflüchtigung messen zu können. Ob das Universum also wirklich gefüllt ist mit Quantenmilchshake bleibt bis auf Weiteres ungeklärt, aber es ist ein super spannender und vor allem irgendwann überprüfbarer Anhaltspunkt, der uns endlich die lang ersehnte Verbindung zwischen Quantenphysik und Relativitätstheorie liefern könnte. 

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