Fraktale: Was Blumenkohl mit dem Universum zu tun hat

Vergleich Fraktale und Universum

Ist das Universum fraktal? Wiederholen sich alle Strukturen im ganz Kleinen und im ganz Großen? Und könnten solche Fraktale auf die dahinterliegende Struktur unserer Realität hindeuten und sogar beweisen, dass wir in einem Multiversum leben?

Es ist schon seltsam. Wenn man sich den Mikrokosmos, also die allerkleinsten Strukturen, und den Makrokosmos, das Allergrößte, anschaut, dann stellt man oftmals fest, dass viele Strukturen sich sehr ähnlich sind. Aber was bedeutet der Begriff “fraktal” eigentlich? 

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Ein Fraktal bezeichnet, dass man, wenn man weit genug hineinzoomt, schließlich auf eine Struktur stößt, die das ursprüngliche Muster, das man auf größeren Skalen gesehen hat, wiederholt. Wenn ähnliche Muster wiederholt in immer kleineren Maßstäben auftauchen, können wir sie mathematisch analysieren und feststellen, ob sie dieselben statistischen Merkmale aufweisen wie die größeren Strukturen. Nur wenn dies der Fall ist, handelt es sich um ein Fraktal. Ein Beispiel: Blumenkohl.

Der fraktale Blumenkohl

Diesen Blumenkohl werdet Ihr lieben: Es handelt sich um eine spezielle Züchtung namens Romanesco. Und der Blütenstand ist ein mathematisches Meisterwerk der Natur, denn es ist fraktal. Auf mehreren Ebenen wiederholt sich immer dasselbe Muster. Es klingt ein bisschen albern in Bezug auf Blumenkohl, aber es ist absolut faszinierend, dass die Natur so eine mathematische Perfektion hervorgebracht hat. 

Romanesco Blumenkohl
Absolut fraktal: der Romanesco-Blumenkohl

Aber der Romanesco ist kein unendliches Fraktal, kein Schlüssel zum Blumenkohl-Multiversum, denn solche fraktalen Erscheinungsformen in der Natur besitzen immer nur eine begrenzte Anzahl von selbstähnlichen Strukturen. Nach zwei bis drei fraktalen Wiederholungen ist beim Blumenkohl Schluss. 

Mandelbrot “erfindet” Prinzip des Fraktals

Das Prinzip des Fraktals erkannte als erster der Mathematiker Benoit Mandelbrot. Vielleicht habt Ihr mal von der Mandelbrot-Menge gehört, bei der mit einer mathematischen Formel ein Fraktal generiert wird. Unten seht ihr eine Mandelbrotmenge. Und obwohl wir nur das grafische Ergebnis einer mathematischen Formel sehen, könnte man fast meinen, es handelt sich um ein eigenes Universum. 

Darstellung der Mandelbrotmenge
Ergebnis einer Formel: Optische Darstellung der Mandelbrotmenge

Mandelbrot war ziemlich besessen von Fraktalen und glaubte, dass man Börsenkurse mit Fraktalen analysieren könnte. Nicht zuletzt hielt er es für möglich, dass unser gesamtes Universum ein Fraktal ist. Das war 1974. Damals hatten die Astronomen gerade erst damit begonnen, umfangreiche Kataloge von Galaxien aus der Tiefe des Weltraums zu erstellen. Und erste Vorstellungen von der großräumigen Struktur des Kosmos nahmen erste Gestalt an. Dass das Universum wohl mit dem Urknall begann und expandiert, wusste man schon. Aber so genaue Vorstellungen, wie wir die heute unter anderem dank der Entdeckungen des Hubble- und des James-Webb-Teleskops haben, hatte man noch nicht. 

Die ganz großen Strukturen des Universums

Heutzutage haben wir ein gutes Bild davon, wie die ganz großen Strukturen des Universums aussehen. Unten seht Ihr das sogenannte kosmische Netz, die größte Struktur, die wir kennen. Es besteht aus Filamenten und Voids. Die Filamente sind die hellen Fäden. In denen befindet sich fast all die Materie, die es gibt. Auch alle Galaxien, wie unsere Milchstraße, sind in diesen gigantischen kosmischen Fäden angeordnet. 

Das kosmische Netz
Alles fraktal? Das kosmische Netz

Dazwischen existieren riesige Hohlräume, die Voids. Hier herrscht gähnende Leere über unvorstellbare Distanzen von hunderten Millionen Lichtjahren. Ganz leer sind sie nicht, einzelne Galaxien verbergen sich darin, aber weitaus weniger als in den Filamenten. Ist dieses kosmische Netz ein Fraktal? Erhalten wir, wenn wir raus und rein zoomen immer wieder dieselbe spinnennetzartige Struktur? 

Sonnensystem ist kein Fraktal

Ja und nein. Die genaue Analyse der Voids beispielsweise zeigt verblüffenderweise tatsächlich dieselbe Struktur. Die paar einsamen Galaxien, die in den Voids umhertreiben bilden eine Art Mini-Kosmisches-Netz. Die Filamentstruktur hat sich zumindest auf einer Ebene wiederholt, ist sich also in gewisser Weise selbst ähnlich. 

Aber eine Ebene ist nicht besonders viel, oder? Selbst unser Blumenkohl ist fraktaler. Und auf den kleineren Ebenen können wir die Fraktalstruktur des Universums dann sowieso ignorieren. Unser Sonnensystem alleine sieht schon komplett anders aus, als ein anderes Sternsystem. Unsere Milchstraße sieht anders aus als andere Galaxien. Verschiedene Galaxienhaufen besitzen trotz aller Ähnlichkeiten im Aufbau ein ganz unterschiedliches Aussehen. Wenn überhaupt kann das Universum nur auf den allergrößten Strukturen Fraktal sein und selbst da sieht es mau aus – die kosmische Netzstruktur findet man mit viel Fantasie innerhalb von Voids noch mal wieder, aber keinesfalls durchgehend. 

Sind Fraktale einfach Zufall?

Es stimmt, dass sich Strukturen im ganz Kleinen und im ganz Großen Teilweise ähneln. Aber das alleine macht noch kein Fraktal, denn dafür bräuchten wir eine Selbstähnlichkeit auf mehreren durchgehenden Ebenen und nicht auf einer ganz großen Ebene und dann eben wieder zufällig auf einer ganz anderen Ebene unter dem Mikroskop. Der Grund weshalb sich solche ganz unterschiedlichen Strukturen ähneln ist nicht ganz klar, und auch wenn es ein wenig unbefriedigend ist, es könnte einfach Zufall sein. 

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Letztlich wird sowohl der Mikro- als auch der Makrokosmos von denselben Naturgesetzen beherrscht und einige Anordnungen und Muster ergeben nach diesen Naturgesetzen vermutlich einfach Sinn. Zu guter Letzt kommt da auch noch eine gehörige Portion Apophänie ins Spiel. Apophänie ist die Tendenz von uns Menschen, sinnvolle Verbindungen zwischen nicht zusammenhängenden Dingen wahrzunehmen. Unser Gehirn funktioniert einfach so, wir suchen Verbindungen, wo keine sind. Zum Beispiel zwischen dem Kosmos und einem Blumenkohl. Definitv keine Verbindung da, aber wir wollen sie trotzdem unbedingt sehen. 

Sind Multiversen Fraktale?

Einen letzten Ausweg gibt es vielleicht noch, eine letzte Möglichkeit, die uns wirklich an die Grenzen der Physik bringt: Das Multiversum. Wir haben geschaut, ob wir ein fraktales Muster finden, wenn wir vom kosmischen Netz, der größten bekannten Struktur, in kleinere Strukturen herein zoomen und wurden bitter enttäuscht. Aber was würden wir sehen, wenn wir vom kosmischen Netz heraus zoomen würden. Was kommt darüber? 

Einige Forscher gehen davon aus, dass unser Universum nicht das einzige ist. Über oder neben unserem Universum könnte ein anderes Universum sein, vielleicht sogar ein Mutter-Universum und dann ein Oma-Universum, gefolgt von einem Uroma-Universum, und einem Ururoma-Universum und schließlich ein Urururoma-Universum und darauf folgend ein Ururururoma-Universum…

Die kosmische Mandelbrotmenge

Es wäre also denkbar, dass über dem kosmischen Netz eine noch gewaltigere Struktur erscheint, die ihm selbstähnlich ist. Ein Multiversums-Fraktal. Denn wenn es immer wieder neue Universen gibt, dann würden wir wirklich in einer Art kosmischen Mandelbrotmenge leben. Es geht immer weiter mit den sich wiederholenden Mustern, jedes Universum eine Ebene eines nicht zu begreifenden, nicht zu erfassenden Fraktals. Absolut denkbar, aber bislang leider keinesfalls bewiesen, sondern nur eine spannende Hypothese.

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