Kilonova im tiefen All entdeckt

Darstellung einer Kilonova

Forscher haben eine Kilonova im Deep Space entdeckt. Was es damit auf sich hat und warum die Annahmen über Gammastrahlenausbrüche damit überholt sind.

Als Astronomen im Roque-de-los-Muchachos-Observatorium auf La Palma routinemäßig einen Gammastrahlenausbruch überwachten, änderte sich plötzlich alles. Die Welt der Astronomie stand Kopf. Gammastrahlenausbrüche sind kurze und ultrahelle Blitze der energiereichsten Form von Licht, der Gammastrahlung. 

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Lange versus kurze Gammastrahlenausbrüche

Sie werden meist sehr weit weg im Deep Space entdeckt und lassen sich in zwei Kategorien einteilen, von denen man annimmt, dass sie durch zwei unterschiedliche physikalische Szenarien entstehen: “Lange” Gammastrahlenausbrüche dauern in der Regel einige Sekunden bis mehrere Minuten. Sie werden oft von einem länger anhaltenden Nachleuchten von weniger energiereichem Licht begleitet. Sie treten in Regionen von Galaxien auf, wo die Sternendichte besonders hoch ist. Sie sind vermutlich das Ergebnis eines massereichen Sterns, der zu einem kompakten Neutronenstern oder einem Schwarzen Loch kollabiert ist, und seine äußeren Teile in einer gewaltigen Explosion ausstößt, ähnlich einer Supernova, nur eben noch heftiger. 

Gammastrahlenausbruch
Ein Stern kollabiert und erzeugt einen Gammastrahlenausbruch (National Science Foundation)

“Kurze” Ausbrüche sind sogar noch flüchtiger, mit einer typischen Dauer von maximal einer Sekunde. Sie werden oft weit entfernt von den galaktischen Zentren oder sogar außerhalb von Galaxien beobachtet. Die vorherrschende Theorie besagt, dass sie das Ergebnis zweier massereicher Sterne sind, die sich in einem “Doppelsternsystem” umkreisen. Irgendwann explodieren sie als Supernova und werden dabei aus ihrer Wirtsgalaxie herausgeschleudert. Die Kerne der beiden Sterne bleiben aber erhalten, rotieren weiter umeinander und verschmelzen, was dann zu einem Gammastrahlenausbruch führt. 

Langer Gammastrahlenausbruch beobachtet

Gammastrahlenausbrüche sind sehr kuriose Ereignisse, nicht nur wegen der Art ihrer Entstehung, sondern auch wegen der freigesetzten Energie. Die ist immens. Auf ihrem Höhepunkt können Gammastrahlenausbrüche so hell leuchten wie alle Sterne im beobachtbaren Universum zusammen. Diese flüchtige Natur der Ausbrüche erschwert ihre Untersuchung, da man den Himmel an genau der richtigen Stelle im genau dem richtigen Moment überwachen müsste. Aber seit Ende der 1990er Jahre konnten die Astronomen auch das weniger energiereiche Nachleuchten im Röntgenbereich, im optischen Licht und im Infrarot aufspüren, so dass man sich ziemlich sicher war, die Gammastrahlenausbrüche gut verstanden zu haben. 

Bis zu dieser eben erwähnten Nacht auf La Palma. Es geht um den Ausbruch GRB211211A. Der Astronom Daniele Bjørn Malesani, der ihn in dieser Nacht beobachtete, sagt: “Die Beobachtungen zeigten, dass der Ausbruch außerhalb einer Galaxie entstand, die für kurze Ausbrüche typisch ist. Aber statt einer Millisekunde oder ein paar Sekunden dauerte dieses Ungetüm fast eine Minute.” Also haben wir einen Ausbruch, der vom Fundort her eigentlich ein kurzer Ausbruch sein müsste, aber sogar länger als die längsten langen Gammastrahlenausbrüche war. 

Das Roque-de-los-Muchachos-Observatorium auf La Palma
Die Kilonova fest im Blick: Das Roque-de-los-Muchachos-Observatorium auf La Palma

Kilonova: Zwei Neutronensterne sind kollidiert

Ein internationales Team von Astronomen hat diesen Ausbruch genauer analysiert und sie fanden etwas Unglaubliches heraus: Bei dem Ausbruch handelte es sich um eine sogenannte Kilonova. Kilonovae entstehen, wenn zwei Neutronensterne oder ein Neutronenstern und ein Schwarzes Loch kollidieren. Der Name Kilonova kommt daher, dass eine solche Explosion bis zu 1000-mal mehr Energie freisetzt als eine normale Nova. Wir reden hier über eine heftige kosmische Explosion, die stark genug war, die Überzeugungen der Astrophysiker komplett auf den Kopf zu stellen. 

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Denn, dass aus einem vermeintlich kurzen Gammastrahlenausbruch eine solche Kilonova entsteht, das ist mit dem bisherigen Modell nicht vereinbar. Dieser Fund bedeutet also nicht weniger, als dass wir unsere bisherige Vorstellung, dass Gammastrahlenausbrüche sich immer in kurz und lang einteilen lassen, über Bord werfen müssen. Anscheinend gibt es noch weitere Typen von Gammastrahlenausbrüchen. Der beteiligte Astronom Luca Izzo sagt: ”Gammastrahlenausbrüche können eine Vielzahl von Verhaltensweisen zeigen, aber die Unterscheidung zwischen langen und kurzen Ereignissen ist seit den 1990er Jahren klar etabliert und gilt als einer der Grundpfeiler in diesem Bereich. Dieser Befund hat uns wirklich überrascht.” 

Kilonova außerhalb von Galaxien

Und nicht nur, dass die Klassifizierung nun neu geschrieben werden muss, auch weitere Aspekte über diesen Ausbruch sind absolut bemerkenswert: Nach allem, was wir wissen, fand er außerhalb von Galaxien statt, also im relativ leeren intergalaktischen Raum. Wie haben sich Neutronensterne oder Schwarze Löcher dorthin verirrt? Ist der intergalaktische leere Raum gar nicht so leer wie wir denken? 

Und es wird noch bizarrer. Wir könnten hier eine kosmische Goldschmiede gefunden haben. Man geht davon aus, dass Kilonovae der Hauptmechanismus für die Entstehung schwerer Elemente wie Silber, Gold und Platin, Plutonium und Uran sind. Alle natürlichen Elemente sind in Fusionsprozessen im Weltraum entstanden, auch alles, woraus Ihr besteht! Ihr seid Sternenstaub oder wie es Carl Sagan so schön sagte: “Wir sind eine Möglichkeit für den Kosmos sich selbst zu erkennen.” Aber für die Entstehung der schweren Elemente braucht es gewaltige Energiemengen und Bedingungen, die nur in den heftigsten Ereignissen des Kosmos entstehen können, wie in Kilonovae. Es ist gut möglich, dass in der nun beobachteten Kilonova so viel neues Gold entstanden ist, dass es den Goldpreis ziemlich auf Talfahrt schicken würde, wenn wir es einsammeln könnten. 

Entstehung schwerer Elemente
Schwere Elemente entstehen bei Sternkollisionen

Um die entdeckte Kilonova ranken sich aber noch jede Menge ungeklärte Fragen. Wie schaffen es kollidierte Neutronensterne oder Schwarze Löcher einen so langen Burst zu erzeugen? Eine Theorie besagt, dass sich die kollabierten Neutronensterne so schnell drehen – mit einem erheblichen Bruchteil der Lichtgeschwindigkeit –, dass die Zentrifugalkräfte das verschmolzene Objekt noch eine Weile aufrechterhalten und sein düsteres Schicksal hinausschieben können. Daniele Bjørn Malesani sagt: “Kilonovae sind für uns ein relativ neues und unerforschtes Phänomen. Da wir nicht erwartet haben, dass sie mit langen Bursts in Verbindung stehen, haben wir dort nicht nach ihnen gesucht. Aber jetzt wissen wir, dass die Natur einfallsreicher ist, als wir bisher dachten.

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