Heliosphäre – seltsam faltig

Faltenstruktur Heliosphäre

Gigantische und mysteriöse Faltenstrukturen wurden von der NASA am Rande unseres Sonnensystems in der Heliosphäre entdeckt – was da genau los ist und was es ist mit diesen Strukturen auf sich hat.

Dieser Beitrag handelt von: kosmischen Falten. Ja, richtig gelesen. Um zu schauen, was es damit auf sich hat, müssen wir erst mal in die äußeren Bereiche des Sonnensystems reisen, weit hinter den Zwergplaneten Pluto. Der ist sehr weit von uns entfernt, 7,5 Milliarden Kilometer. 

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Die Region des Sonnensystems, um die es in diesem Beitrag geht, ist aber noch viel weiter weg. Es geht um die sogenannte Heliosphäre. Die beginnt in einer unbegreiflichen Distanz von knapp 15 Milliarden Kilometern, ist also noch mal doppelt so weit entfernt von uns wie der Pluto. 

Was ist die Heliosphäre?

Diese mysteriöse Grenze wurde erst von zwei menschengemachten Objekten durchquert: von den Voyager-Sonden. Nachdem sie im Jahr 1977 losgeflogen sind, hat Voyager 1 die Heliosphäre im Jahre 2012 komplett durchquert, Voyager 2 folgte dann 2018. Aber was ist die Heliosphäre überhaupt? Die Heliosphäre gilt für viele als eine Art Begrenzung unseres Sonnensystems und ist im Prinzip ein geschützter Bereich, den unsere Sonne in den gefährlichen und harschen Weiten der Galaxis für uns schafft. 

Die Heliosphäre
So könnte sie aussehen: die Heliosphäre

Die Sonne schießt jede Menge energiereiche Partikel ins All, den sogenannten Sonnenwind. In den anderen Bereichen der Milchstraße wiederum, also in unserer Galaxis, befindet sich zwischen den einzelnen Sternsystem überall das sogenannte interstellare Medium, galaktischer Staub, Gase und auch sehr gefährliche Strahlung. Sonnenwind und interstellares Medium versuchen sich gegenseitig zu verdrängen. Es gelingt dem Sonnenwind eine Art sicheren Bereich um uns herum zu schaffen, in dem das interstellare Medium verdrängt wird und wir vor gefährlicher kosmischer Strahlung einigermaßen sicher sind. 

IBEX will Geheimnisse um Heliopause lüften

Den Punkt, an dem die Heliosphäre endet und das interstellare Medium beginnt, nennt man Heliopause. Diese haben wir nicht nur mit Hilfe der Voyager-Sonden genauer untersuchen können, sondern auch mit dem NASA-Forschungssatelliten IBEX, kurz für Interstellar Boundary Explorer. IBEX befindet sich seit 2008 im Erdorbit und ist dafür gebaut, die Geheimnisse der Heliosphäre zu lüften. 

Darstellung von IBEX der NASA
Darstellung von IBEX der NASA

Der IBEX-Satellit macht sich eine ganz besondere Technik zunutze. In der Heliosphäre werden durch das Wechselspiel des Sonnenwinds mit dem interstellaren Medium besondere elektrische Ladungen der Atome erzeugt. Diese Heliosphärenatome werden dann zum Teil in die Weiten der Galaxis fortgeschleudert, zum Teil aber auch wieder zurück Richtung inneres Sonnensystem. Dort können sie dann von IBEX aufgefangen und analysiert werden. IBEX registriert also fortgeschleuderte Atome der Heliosphäre und kann daher trotz der immensen Distanz Informationen über die Heliosphäre gewinnen – im Prinzip eine Art kosmische Echolotung. 

Druck des Sonnenwinds stieg an

Ein Team von Wissenschaftlern unter der Leitung des Astrophysikers Eric Zirnstein von der Princeton University hat festgestellt, dass IBEX im Jahre 2014 einen immensen Anstieg des Drucks des Sonnenwinds registrierte. Innerhalb weniger Monate stieg der Druck des Sonnenwinds um knapp 50 Prozent. 

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Die Daten dieses Druckanstiegs konnten die Forscher nutzen, um eine detaillierte Form der Heliosphäre und der Heliopause zu errechnen. Und das Ergebnis ist wirklich erstaunlich und zeigt: Die Heliopause besitzt eine Struktur, von der wir bislang absolut keinen Schimmer hatten. In der Heliopause fanden sie riesige Wellen, riesige kosmische Falten in der Größenordnung von Dutzenden Astronomischen Einheiten. Eine astronomische Einheit ist eine gewaltige Längeneinheit, sie beschreibt nämlich die durchschnittliche Entfernung der Erde zur Sonne, also rund 149 Milliarden Kilometer. Wir reden hier also von Falten in der Heliopause, die eine Größe von mehreren Milliarden Kilometern aufweisen. 

Falten in der Heliopause

Aber wie entstehen diese großen Faltenstrukturen? Auch das konnten die Forscher anhand der IBEX-Daten herausfinden. An der Heliopause läuft eine reflektierte Welle von energetisierten Teilchen zurück und kollidiert mit dem noch immer neu eintreffenden Strom geladenen Sonnenplasmas aus Richtung Zentrum des Sonnensystems, wodurch ein Sturm energiereicher neutraler Atome entsteht, der die Heliopause regelrecht eindellt. Die Heliosphäre ist also keineswegs ein statisches, festes Gebilde, sondern wabert, vibriert, faltet sich zusammen und dehnt sich dann wieder aus – und die genaue Art der Bewegung richtet sich eben nach dem Ausmaße des neu eintreffenden Sonnenwinds und des zurück reflektierten Sonnenwinds, der vom interstellaren Medium der Milchstraße zurückgeschleudert wurde. 

Darstellung der Falten in der Heliosphäre
Darstellung der Falten in der Heliosphäre

Das hat übrigens auch sehr interessante Konsequenzen für die Voyager-Sonden. Wir haben ja festgestellt, dass diese schon vor Jahren die Heliopause überquert haben. Man könnte meinen, dass sie nun die Heliosphäre für immer hinter sich gelassen haben. Tatsächlich ist die Heliosphäre aber ein wenig wie ein kosmischer Stalker und wabert den Voyagers hinterher. Wenn sich die Faltenstrukturen nämlich wieder glätten – im Form von Sonnenplasma als stellares Botox – dann vergrößert sich die Ausdehnung. 

Heliopause jagt Voyager hinterher

Voyager 1 durchquerte die Heliopause im Jahr 2012 in einer Entfernung von 122 Astronomischen Einheiten zur Sonne. Im Jahr 2016 betrug der Abstand der Sonne zur Heliopause in Richtung Voyager 1 etwa 131 Astronomische Einheiten; zu diesem Zeitpunkt war Voyager 1 etwa 136 Astronomische Einheiten von der Sonne entfernt, also immer noch im interstellaren Raum und auch immer noch jenseits der Heliopause – aber mit einer sich aufblähenden Heliosphäre im Rücken. 

Es wird zwar nicht dazu kommen, dass die Heliosphäre Voyager 1 wieder einholt und ihr dadurch den Titel interstellare Raumsonde nimmt – dafür ist Voyager zu schnell – aber der Abstand wächst nicht so schnell wie man meinen könnte, da die Heliosphäre sich eben teilweise aufbläht und versucht Voyager 1 hinterherzueilen. Falls Ihr jetzt noch mehr über diese kosmischen Falten, die uns umgeben, lernen wollt, habt Ihr Glück: IBEX steht zwar kurz vor dem Ende seiner Mission, wird dann aber 2025 durch eine neue Sonde der NASA ersetzt, und zwar durch die Interstellar Mapping and Acceleration Probe, kurz IMAP. 

IMAP von NASA
IMAP von NASA

IMAP wird eine größere Reichweite, Genauigkeit und Auflösung haben und so nicht nur den gesamten Himmel häufiger kartieren können, sondern statt in einer Erdumlaufbahn wird sie sich am Lagrange Punkt Eins befinden, der anderthalb Millionen Kilometer von der Erde und ihrer störenden Magnetosphäre entfernt ist, genau wie übrigens das James Webb Space Telescope. An diesem Punkt kann man die von der Heliosphäre fortgeschleuderten Partikel dann noch viel viel besser analysieren. 

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