Kollabieren die Jetstreams? Etwas sehr Mysteriöses geschieht gerade mit den großen Windströmungen des Planeten und Wissenschaftler sind völlig perplex. Was da genau vor sich geht und welche Auswirkungen das Verhalten der Jetstreams auf uns hat, erfahrt Ihr in diesem Beitrag.
Das klingt apokalyptisch: Die Jetstreams der Erde verhalten sich chaotisch. Jetstream bezeichnet einen starken, schmalen Luftstrom in der Atmosphäre, der unseren Planeten in großen, wellenförmigen Bändern umkreist. Er entsteht aufgrund von Temperatur- und Druckunterschieden zwischen den polaren Regionen und den Tropen. An den Äquatorregionen wird die Luft stärker von der Sonneneinstrahlung erwärmt als in den Polregionen. Diese Temperaturunterschiede führen zur Bildung von Hoch- und Tiefdruckgebieten. Und da die Luft immer von einem Gebiet mit höherem Druck zu einem Gebiet mit niedrigerem Druck strömt, entstehen horizontale Luftströmungen. Das ist übrigens ein sehr schöner Beweis für die Kugelform der Erde. Auf einer flachen Erde, auf der die Sonneneinstrahlung überall gleich wäre, wäre das Phänomen dieser Temperatur- und Druckunterschiede unerklärlich.

Erddrehung und Luftströmungen
Jetzt kommt noch die Rotation der Erde hinzu. Durch den Corioliseffekt werden die Luftströmungen in Ost-West-Richtung abgelenkt und formen den Jetstream. Es gibt zwei Hauptäste: den Polarjetstream in höheren Breiten und den Subtropenjetstream in niedrigeren Breiten. Ziemlich komplex, deswegen noch mal kurz zusammengefasst: Durch unterschiedliche Sonneneinstrahlung und Temperaturen kommt es dazu, dass Luftströmungen sich vom Äquator Richtung Pol bewegen, und aufgrund der Erddrehung wird er dabei Richtung Osten abgelenkt. So entsteht der Jetstream. Und deswegen dauert ein Flug von New York nach Frankfurt zum Beispiel auch kürzer als von Frankfurt nach New York, weil Flugzeuge auf dem Weg von den USA zurück nach Europa den Jetstream als eine Art Luft-Highway benutzen können.
Jetstream auseinandergebrochen
Der Jetstream als globale Windströmung ist immens wichtig und hat große Auswirkungen auf das Wettergeschehen, beeinflusst die Richtung von Luftmassen, Temperatur- und Feuchtigkeitsänderungen sowie die Bildung von Hoch- und Tiefdruckgebieten. Und deswegen könnte man es als ein wenig beunruhigend auffassen, wie der Jetstream sich gerade verhält. Die Wissenschaftsjournalistin Carly Cassella schreibt: „Der südliche Teil des Jetstreams über Nordamerika ist völlig auseinandergebrochen und befindet sich derzeit in einer bösartigen Revolution, die eine Hitzewelle sondergleichen ausgelöst hat.”

Wir können das selbst nachprüfen auf earth.nullschool.net und sehen, dass sich unter dem aktuellen Verlauf des Jetstreams eine Art Abspaltung gebildet hat. Meteorologen sprechen von einem Hitzedom. Und die Temperaturen dort sind rekordverdächtig, in Mexiko wurden teilweise sommerliche 49,5 Grad gemessen.
Rekordhitze durch Jetstream
Genauso energiegeladen ist die Hitzeglocke über Nordamerika und die ist wohl dem seltsamen Verhalten des Jetstreams geschuldet. Dadurch, dass er auf der Nordhalbkugel gerade so seltsam und fragmentiert verläuft, konnte sich dieses abgetrennte Warmgebiet erst bilden. Der Meteorologe Jeff Berardelli schreibt bei Twitter: „Wenn ich mir diesen Jetstream ansehe, kommt mir das Wort Wahnsinn in den Sinn. Diese Konstellation, die wahrscheinlich durch die Klimaerwärmung verstärkt wird, führt zu einer Rekordhitze, die so extrem ist, dass selbst Experten erstaunt sind!”
Fest steht, dass der Jetstream gerade instabil und fragmentiert erscheint. Statt einer kontinuierlichen west-östlichen Strömung sind die Jetstream-Bänder nun stärker gewellt und weisen Abweichungen auf, die zu Blockaden und extremen Wetterereignissen führen können. Also was ist hier los? Warum verhält sich der Jetstream so mysteriös?

Auswirkungen auf den Jetstream
Die Erwärmung des Klimas kann grundsätzlich Auswirkungen auf den Jetstream haben. Denn, wenn sich die Temperaturen auch in weiter vom Äquator entfernten Regionen erwärmen, dann verändert das die Luftströmungen zwischen Äquator- und Polregion. Ohne Temperaturunterschiede gibt es keine so starke Unterscheidung mehr zwischen den Hoch- und Tiefdruckgebieten von Äquator- und Polregion, damit keine so starken Luftströmungen mehr und damit ein schwächerer Jetstream. Es kann also eine der Ursachen sein.
Es gibt aber gerade ein viel akuteres Ereignis, das als Hauptursache auf der Hand liegt: El Niño ist ein natürliches Klimaphänomen, das durch Erwärmung der Oberflächentemperaturen im äquatorialen Pazifik gekennzeichnet ist. Obwohl es erstmal nur ein lokales Ereignis ist, hat es globale Auswirkungen, da sich Ozean- und Windströmungen verändern.
Was passiert bei El Niño?
Während eines El Niño-Ereignisses werden die normalen Temperaturunterschiede zwischen dem östlichen und westlichen Pazifik verringert, was zu einer Veränderung der Druckverhältnisse führt. Diese Veränderungen beeinflussen den Jetstream und können zu seiner Instabilität und Fragmentierung beitragen. Infolgedessen werden die Jetstream-Bänder in höheren Breiten gestört und abgelenkt, was zu ungewöhnlichen Wetterphänomenen führen kann. Zum Beispiel können Hochdruckgebiete über bestimmten Regionen blockiert werden, was zu langanhaltenden Hitze- oder theoretisch auch Kältewellen führen kann.
Gleichzeitig können Tiefdruckgebiete in anderen Regionen hängen bleiben, was zu starken Regenfällen oder sogar Überschwemmungen führen kann, weswegen El Niño tatsächlich in einigen Regionen der Welt vermehrt zu Hurricanes führt, in anderen aber die Wirbelsturmhäufigkeit sogar verringert. Diese Veränderungen im Jetstream beeinflussen das Wetter weltweit. In einigen Regionen können sie zu Dürren, Hitzewellen oder Waldbränden führen, während andere Regionen mit heftigen Stürmen, starken Regenfällen, Hitze- und Kälteperioden konfrontiert sind. Die Auswirkungen können sowohl auf lokaler als auch auf globaler Ebene spürbar sein.
Unter Meteorologen herrscht Einigkeit, dass vor kurzem die neue El Niño-Phase begonnen hat. Die Jahre vorher waren vom gegenteiligen Phänomen La Niña geprägt, was die Temperaturen eher gesenkt hat. Jetzt gerade stehen wir am Anfang der neuen El Niño-Phase und der zeitliche wie faktische Zusammenhang mit dem Verhalten des Jetstreams und auch der Temperaturanomalie im Nordatlantik ist mehr als deutlich. Das dürfte also die Hauptursache sein, der Klimawandel verstärkt den Effekt womöglich.
Auf der Website der NOAA, der amerikanischen Wetter- und Ozeanografiebehörde, heißt es zum Einfluss von El Niño auf den Jetstream: „Da sich die Position des warmen Wassers entlang des Äquators über dem Pazifik hin und her verschiebt, verschiebt sich auch die Region mit der größten Verdunstung von Wasser in die Atmosphäre mit. Dies hat tiefgreifende Auswirkungen auf die durchschnittliche Position des Jetstreams.”
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Die kuriosen Wetterphänomene, die wir gerade erleben, stehen wohl alle mit der neuen El-Niño-Phase in Verbindung. Warum ist sowohl die Fragmentierung des Jetstreams als auch die Temperaturanomalie im Nordatlantik so ungewöhnlich stark? Entweder, weil der Klimawandel dieses Mal die El Niño-Effekte massiv verstärkt oder weil wir eine besonders mächtige, starke El Niño-Phase erleben. Um es genau zu sagen, müssen wir das weiter beobachten und Daten sammeln. Aber egal, welche der beiden Optionen es ist, wir können uns auf so einige besondere Wetterereignisse in der nächsten Zeit einstellen.
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