Oumuamua lässt uns einfach keine Ruhe. Kaum eine Woche vergeht, in der nicht neue Theorien und Ideen zu diesem interstellaren Besucher veröffentlicht werden! Und vor kurzem wurden zwei neue wissenschaftliche Paper zu Oumuamua veröffentlicht. Es kam dadurch zu einem heftigen Streit in der wissenschaftlichen Community und die große Frage ist nun: Handelt es sich um einen Wasserstoff-Kometen oder ein Alien-Mutterschiff?
Normalerweise stammen Asteroiden, die in unserem Sonnensystem herumfliegen, auch aus unserem Sonnensystem. Sie befinden sich schon seit der Entstehungszeit vor einigen Milliarden Jahren hier in unserem System. Theoretisch spricht aber auch nichts dagegen, dass sich mal ein Asteroid oder Komet aus einem anderen Sternsystem innerhalb unserer Galaxis auf Irrwegen befindet und sein eigenes System verlässt und in unser Sonnensystem hereinplatzt.
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Genau das war bei Oumuamua der Fall. Er war der erste interstellare Himmelskörper, den wir jemals in unserem Sonnensystem gefunden haben. Alleine der Gedanke daran, dass Oumuamua Lichtjahre gereist ist und an welch fernen Orten der Milchstraße er schon war, ist schon unglaublich faszinierend.
Oumuamua: doch Aliens?
Aber einige Leute wollten noch einen drauf setzen und entwickelten die Hypothese, dass Oumuamua Alien-Technologie sein könnte. An vorderster Front dieser Überlegungen steht der Harvard-Professor Avi Loeb, der sogar ein Buch geschrieben hat. Und genau der hat ein neues wissenschaftliches Paper veröffentlicht, in dem behauptet wird, Oumuamua könne ein Alien-Mutterschiff und verantwortlich für die UFO-Sichtungen sein, die im April 2023 durch die Medien gingen. Co-Autor dieses Papers war der Direktor des UFO-Untersuchungsbüros des Pentagons, Sean Kirkpatrick. Also ein angesehener Harvard-Professor und ein hochrangiger Mitarbeiter des Verteidigungsministeriums der USA behaupten, Oumuamua sei die Quelle für Alien-UFOs, die über die Erde düsen.

Das Hauptthema der Paper sind tatsächlich UFO-Sichtungen und sicherlich habt Ihr in den letzten Wochen all die Berichte über die vermeintlichen fliegenden Untertassen über den USA gesehen. Begonnen hatte alles mit einem chinesischen Spionageballon, der über den Vereinigten Staaten flog.
Wie kommen die beiden nun von diesen UFO-Sichtungen auf Oumuamua? In dem Paper heißt es: “Da die meisten Sterne mehr als eine Milliarde Jahre vor der Sonne entstanden sind, ist es möglich, dass andere technologische Zivilisationen der unseren um die Zeit voraus waren, die ihre Fortbewegungsmittel benötigten, um die Erde zu erreichen.”
Die kosmischen Löwenzahnsamen
Lange Rede, kurzer Sinn: Oumuamua soll demnach nicht einfach nur Alien-Technologie sein, wie Avi Loeb ja schon lange behauptet, sondern ein vor Ewigkeiten gestartetes außerirdisches Mutterschiff, das nun bei uns ankam und kleine Mini-Sonden ausgesendet hat, die die Erde erkunden. Loeb vergleicht sie mit Löwenzahnsamen, die von der Blume in alle Richtungen verteilt werden. Und diese kosmischen Löwenzahnsamen sollen die UFOs sein, die regelmäßig auf der Erde gesichtet werden.
Ziemlich zeitgleich erschien aber auch ein anderes Paper in der Fachzeitschrift Nature, in der eine etwas bodenständigere Erklärung geliefert wurde: Demnach war Oumuamua ein ganz gewöhnlicher Komet aus Wassereis, der aber auf seiner langen Reise durch den interstellaren Raum chemisch verändert wurde. Im interstellaren Raum war Oumuamua heftiger kosmischer Strahlung ausgesetzt. Diese Strahlung drang metertief in den Kometen ein und spaltete dort die Wassermoleküle und es entstand gasförmiger Wasserstoff. Dieser Wasserstoff war also tief in Oumuamua eingeschlossen.
Bei seinem Vorbeiflug an der Sonne erhielt er plötzlich eine zusätzliche Beschleunigung, die mit den Gravitationskräften der Sonne nicht zu erklären war. Was hatte ihn beschleunigt? Ein Alien-Motor? Am Ende noch ein Verbrenner? Die naheliegendste Erklärung wäre, dass Oumuamua eben ein Komet sei und nahe der Sonne ist ein erheblicher Teil seines Eis geschmolzen. Wenn sich Kometen der Sonne nähern, stoßen sie Wasserdampf aus. Dadurch kommt es dann zu einem Rückstoß, der den Kometen von der Sonne wegschleudert.
Oumuamua und der Wasserstoff
Das Problem: Bei Oumuamua war von Ausgasungen nichts zu sehen – und genau das war der Punkt, wo Leute wie Avi Loeb eingehakt haben und sagten: Aha, das ist also ein starkes Indiz für Alien-Technologie. Wirklich? Wenn die Wasserstoffhypothese in dem nun veröffentlichten Paper stimmt, gibt es einen Ausweg: Als Oumuamua in Sonnennähe kam, erhöhte sich die Temperatur und dadurch konnte der im Kometen gefangene Wasserstoff entweichen und dadurch wiederum kam es zu dem Rückstoß.

Dieses Entweichen von Wasserstoff wäre für irdische Teleskope kaum sichtbar gewesen, da diese Strahlung von der Erdatmosphäre fast komplett absorbiert wird. Die Forscher des neuen Papers nennen das Phänomen “dunkler Komet”. Wenn das stimmt, wäre das Rätsel um Oumuamua also nach all den Jahren doch noch mit einer simplen Antwort gelöst: Oumuamua ist doch ein Komet, eben nur einer mit Wasserstoff in seinem Inneren, ein dunkler Komet. Co-Autor Darryl Seligman sagt: “Die wichtigste Erkenntnis ist, dass Oumuamua ein normaler interstellarer Komet ist, der einfach starke Verarbeitungsprozesse im Inneren erfahren hat. Es erklärt alle rätselhaften Eigenschaften, und ich kann mir kein einziges theoretisches Hindernis vorstellen.”
Avi Loeb passt das überhaupt nicht und er hat direkt eine Erwiderung veröffentlicht. Unter anderem schreibt er: “Ein ‘dunkler Komet’ ist ein Widerspruch in sich, da bei allen bekannten Kometen ein sichtbarer Kometenschweif aus Gas und Staub beobachtet wurde. Die Einbeziehung der anderen Anomalien von Oumuamua erfordert eine komplexe Geschichte, damit es sich um einen gewöhnlichen Kometen handeln soll.”
Die Dunkle-Komet-Theorie aus dem neuen Paper ist vermutlich noch nicht die ultimative Lösung. Denn in einem Punkt hat Avi Loeb Recht. Er kritisiert, dass in dem neuen Paper die thermischen Verluste des ausgestoßenen Wasserstoffs aus Oumuamua nicht berücksichtigt sind, was zu einer Überbewertung der Oberflächentemperatur führt und somit das gesamte Modell falsch macht. Das heißt, dass wir immer noch nicht herausgefunden haben, wie die genaue Zusammensetzung von Oumuamua aussah. Das heißt aber nicht, dass die Alien-Theorie auch nur annähernd wahrscheinlich wäre. Vor allem ist deutlich, dass Loeb sich selbst widerspricht. Er argumentiert, dass Oumuamua im Vergleich zu normalen Kometen extrem ungewöhnlich wäre, wenn er tatsächlich ein solcher Dunkler Komet wäre. Ja, aber nicht so extrem ungewöhnlich, wie wenn er ein Alien-Mutterschiff wäre. Dass Oumuamua etwas ganz Besonderes ist, steht so oder so fest, die Frage ist nur, welche besondere Erklärung ist naheliegender. Und da wird es doch jetzt einfach mal Zeit Herrn Loeb zu sagen, dass er den Alien-Zug lange genug geritten ist, aber dass er sich verrannt hat. Es gibt mit Sicherheit außerirdisches Leben in der Galaxis. Aber Oumuamua war kein Alien-Raumschiff, sondern sehr wahrscheinlich ein Komet mit Wasserstoffreservoir in seinem Inneren, das durch die kosmische Strahlung erzeugt wurde.
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