Fukushima: Radioaktives Wasser wird in Ozean geleitet

Radioaktives Wasser in Fukushima

Das radioaktive Abwasser von Fukushima soll in den Ozean abgelassen werden. Diese Maßnahme Japans ruft große Kritik hervor. Aber ist es wirklich gefährlich, das Wasser am Ort dieser Nuklearkatastrophe einfach in den Ozean fließen zu lassen?

Die meisten von euch werden sich noch erinnern. Am 11. März 2011 erschütterte ein verheerendes Erdbeben der Stärke 9 die japanischen Inseln. Dieses Beben löste einen Tsunami aus, der massive Zerstörung anrichtete und das Kernkraftwerk Fukushima Daiichi traf. Das war der Beginn einer der schwersten nuklearen Katastrophen in der Geschichte.  

Das Erdbeben und der Tsunami führten zu schweren Schäden an den Reaktoren des Kernkraftwerks Fukushima. Die Sicherheitssysteme des Kraftwerks versagten, und es kam zu Kernschmelzen und Wasserstoffexplosionen in mehreren Reaktoren. Dies wiederum führte zur Freisetzung von radioaktiven Substanzen in die Umwelt. Tausende Menschen wurden evakuiert, ganze Städte wurden zeitweise unbewohnbar, und es kam zu einer erheblichen Freisetzung von radioaktivem Material in die Atmosphäre und das Meer.  

Luftaufnahme des Kraftwerks Fukushima Daichi (Tokyo Electric Power Co., TEPCO)
Luftaufnahme des Kraftwerks Fukushima Daichi (Tokyo Electric Power Co., TEPCO)

Die Folgen von Fukushima  

Die Folgen waren massiv. Landwirtschaftliche Flächen wurden kontaminiert, Lebensmittel wurden verseucht, und die Strahlung gefährdete die Gesundheit derjenigen, die in der Nähe des Unglücksortes lebten. In den folgenden Jahren wurden umfangreiche Aufräumarbeiten durchgeführt, um die Strahlung einzudämmen und die Region zu rehabilitieren. Natürlich nimmt die Strahlung auch auf natürlichem Wege mit der Zeit ab und aktuell gibt es im Umkreis von Fukushima kaum noch nennenswerte Strahlung in einem wirklich bedrohlichen Ausmaß.  

Aber trotzdem, auch jetzt, knapp zwölf Jahre nach dem Unglück ergeben sich weiterhin Probleme. Seit 2011 ist dort kontaminiertes Wasser angefallen, das täglich im Kraftwerk erzeugt wurde. Denn Wasser war notwendig, um die beschädigten Reaktoren zu kühlen, und Grundwasser, das kontaminiert wurde, während es das Gelände durchdrang, musste abgepumpt und gelagert werden. Über 1000 Tanks wurden vor Ort errichtet, um über eine Million Tonnen radioaktives Wasser zu lagern.  

Die Aufbewahrung und Verwaltung des Wassers in großen Tanks vor Ort ist zu einer Herausforderung geworden, denn das Wasservolumen ist mittlerweile so sehr gewachsen, dass kritische Kapazitätsgrenzen erreicht sind. Da stellt sich die drängende Frage: Wohin mit dem Fukushima-Wasser? Um hierfür eine Lösung zu finden und das auch langfristig zu klären, damit man nicht in ein paar Jahren wieder vor demselben Problem steht, hat die japanische Regierung den pragmatischen Plan gefasst, das aufbereitete Wasser einfach in den Ozean zu leiten.  

Wassertanks im Kraftwerk Fukushima (IAEA Imagebank)
Wassertanks im Kraftwerk Fukushima (IAEA Imagebank)

Radioaktives Wasser gefiltert  

Die Tokyo Electric Power Company, kurz TEPCO, die Betreiberfirma von Fukushima, hat das aufbereitete Wasser durch ein fortschrittliches Behandlungssystem namens ALPS gefiltert, um die meisten radioaktiven Elemente wie Kobalt 60, Strontium 90 und Cäsium 137 zu entfernen. Tritium, eine radioaktive Form von Wasserstoff, bleibt jedoch zurück, denn es ist schwer Wasserstoff von Wasser zu trennen. Wenn eines der Wasserstoffatome im Wasser durch Tritium ersetzt wird, entsteht radioaktives sogenanntes tritiiertes Wasser. Tritiiertes Wasser ist chemisch identisch mit normalem Wasser, was seine Trennung vom Abwasser teuer, energieintensiv und zeitaufwendig macht. Und 2020 hatte man schon mal gecheckt, ob aktuelle Tritium-Trenntechnologien in der Lage wären, die hier benötigten großen Wassermengen zu verarbeiten. Sind sie leider nicht.  

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Wir werden das Tritium im Fukushima-Wasser also nicht los. Ist das schlimm? Nein, denn im Vergleich zu anderen radioaktiven Elementen ist Tritium relativ harmlos, und seine Existenz als tritiiertes Wasser verringert seine Umweltauswirkungen immens. Chemisch identisch mit normalem Wasser durchläuft tritiiertes Wasser normales Wasser einfach und reichert sich daher nicht stark im Körper lebender Wesen an. Tritiiertes Wasser akkumuliert sich kaum im Körper von Tieren und hat einen sogenannten Bioakkumulationsfaktor von etwa 1. Im Vergleich dazu besitzt zum Beispiel radioaktives Cäsium-137 einen Bioakkumulationsfaktor von ungefähr 100, da es sich in der Nahrungskette nach und nach anreichert.  

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Also stellt euch mal vor, Ihr seid ein Kugelfisch vor der Küste Fukushimas und freut euch, dass euch bisher noch keine japanischen Meisterköche in die Finger bekommen haben. Aufgrund des Bioakkumulationsfaktor von 1 könnt Ihr nicht mehr Tritium in euren Kugelfischkörper aufnehmen als im umgebenden Wasser drin ist. Im umgebenden Wasser ist aber natürlich quasi gar kein zusätzliches Tritium drin, weil sich das Fukushima-Abwasser fast bis zur Unkenntlichkeit verdünnt angesichts der Massen an Ozeanwasser. Also alle Kugelfische können aufatmen.  

Der Ozean ist radioaktiv  

Radioaktivität ist ein gutes Stichwort, denn der Ozean ist von Natur aus schon radioaktiv. Schaut euch mal die Grafik unten an. Dort seht Ihr das Ausmaß radioaktiver Aktivität durch verschiedene Nuklearunfälle und die radioaktive Aktivität der Stoffe, die ohnehin im Ozean gebunden sind. Die Einheit „Peta-Becquerel“ ist eine Maßeinheit für die Aktivität von radioaktiven Substanzen. Ein Becquerel verwendet man für die Anzahl der radioaktiven Zerfälle pro Sekunde und ein Peta-Becquerel entspricht 10 hoch 15 Becquerel. Ihr seht, dass Fukushima auf der Grafik wirklich klein ist. Und die Grafik zeigt sogar alle Freisetzungen aus dem Fukushima-Unglück vom ersten Tag an, nicht nur das stark gefilterte und verdünnte Tritium, das übrig geblieben ist, und das übrigens insgesamt nur ein Peta-Becquerel besitzt.   Das natürlich im Ozean gebundene Potassium 40 ist auf der anderen Seite verantwortlich für schlappe 15 Millionen Peta-Becquerel. Oder um es anders zu sagen: Die radioaktive Aktivität des nun in den Ozean freigesetzten tritiierten Wassers aus Fukushima entspricht einem fünfzehnmillionstel der natürlichen Radioaktivität im Ozean allein durch Potassium 40. Wer es also für unverantwortlich hält, dass dieses Wasser nun freigesetzt wird, müsste konsequenterweise nach jedem Badetag am Strand Angst haben, dass er nun nuklear verseucht wurde.   

Radioaktivitätsquellen im Ozean
Radioaktivitätsquellen im Ozean

Atomenergiebehörde: Keine Bedenken  

Weil die Datenlage so eindeutig ist, hat die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) auf Anfrage der japanischen Regierung eine Sicherheitsbewertung des Plans durchgeführt und ihn für bedenkenlos durchführbar erklärt. Die maximal geschätzte radioaktive Dosis aus dem freigesetzten Wasser von Fukushima wird in dieser Bewertung auf 3,9 Mikrosievert pro Jahr geschätzt. Das ist ein Bruchteil der durchschnittlich 2400 Mikrosievert natürliche Strahlung, die Menschen jedes Jahr einfach so erhalten. Das Fukushima-Wasser kann also problemlos ins Meer freigesetzt werden und alle Argumente dagegen scheinen nicht besonders wissenschaftlich fundiert zu sein, sondern eher, ja, emotionaler Natur.  

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Riesenasseln und Co: Was ist Tiefsee-Gigantismus?

In der Tiefsee tummeln sich jede Menge kuriose Lebensformen. Was ist dran am sogenannten Tiefsee-Gigantismus, also der These, dass die Lebewesen dort unten tendenziell besonders riesig werden? 

Die Tiefsee ist zu weiten Teilen noch unerforscht und man kann sie daher in gewisser Hinsicht mit dem Weltraum vergleichen. Die Oberfläche des Planeten Mars ist beispielsweise besser kartiert als die Tiefen unserer Ozeane. Das ist nur ein Fakt, der zeigt, dass auch unser Heimatplanet noch jede Menge Geheimnisse zu bieten hat, die es zu entschlüsseln gilt. Eine richtige einheitliche Definition, wo die Tiefsee beginnt, gibt es nicht. Relativ weit verbreitet ist aber die Ansicht, dass die Tiefsee 200 Meter unter der Meeresoberfläche beginnt. Nach dieser Definition gehören 88% der Fläche der Weltmeere zur Tiefsee. Die Tiefsee zeichnet sich außerdem dadurch aus, dass sie im Großen und Ganzen völlig dunkel ist. Kein Sonnenlicht dringt in diese Abgründe der Ozeane vor und deswegen findet dort fast keine biologische Primärproduktion statt. Primärproduktion ist die Produktion von Biomasse durch Umwandlung von Licht. An Land erfolgt diese Primärproduktion durch Pflanzen. Bäume erzeugen zum Beispiel durch Photosynthese Energie. Genauer gesagt: Sie produzieren unter Einfluss von Sonnenlicht und mit Hilfe von Kohlenstoffdioxid und Wasser Sauerstoff und auch das Zuckermolekül Glucose, das ihnen als Energiestoff dient.

Ohne Licht wird dieser Vorgang in der Tiefsee schwierig. Aber das Leben findet immer einen Weg und deswegen gibt es in der Tiefsee doch eine Art der Primärproduktion. Diese findet in Tiefsee-Vulkanen statt, sogenannten Schwarzen Rauchern. Hier treten Sulfide, also Verbindungen aus Metallen und Schwefel, aus dem Meeresboden aus und clevere Bakterienstämme nutzen genau das als Lebensgrundlage. Diese Bakterien können von diesen anorganischen Stoffen leben, eine Fähigkeit, die man als Chemolithotrophie bezeichnet. Es gibt sogar die relativ anerkannte Theorie, dass diese Schwarzen Raucher der Geburtsort des ersten Lebens auf unserem Planeten sind. Vielleicht ist in der Tiefsee, in einem Vulkan am Ozeanboden das erste mal aus anorganischer Materie ein Lebewesen entstanden. Vielleicht stammen wir alle also ganz ursprünglich aus der Tiefsee! 

In den dunklen Tiefen der Ozeane ist biologische Primärproduktion nur sehr eingeschränkt möglich

Obwohl es dort unten nur diesen einen Prozess zur biologischen Primärproduktion gibt, tummeln sich in der Tiefsee dennoch zahlreiche Lebewesen. Allesamt sind sie absolute Überlebensexperten, die im Laufe der Evolutionsgeschichte geschickte Taktiken entwickelt haben, um an diesem unwirtlichen, dunklen Ort zu gedeihen. Und viele von ihnen werden erstaunlich groß. Ein Beispiel ist die Riesenassel. Sie wird bis zu 45 cm groß und erreicht ein Gewicht von 1,7 Kilogramm. Die meisten Asselarten werden nur zwischen 1 und 5 cm groß. So einer Riesenassel möchte man nicht unbedingt begegnen und tatsächlich ist das auch sehr unwahrscheinlich, da sie in bis zu 2.000 Meter Tiefe leben. Ein weiteres bekanntes Beispiel für den Tiefseegigantismus ist der Riesenkalmar. Wie groß diese Tiere wirklich werden können, ist noch ungewiss. Gerüchteweise wurden schon Exemplare mit bis zu 18 Meter Länge gesichtet, die meisten Forscher halten indes eher 8 bis 12 Meter für realistisch. Diese Tiefseeriesen leben in bis zu 1000 Meter Tiefe und können sogar Pottwalen gefährlich werden. Riesenkalmare haben auch gigantische Augen, die bis zu fünfundzwanzig cm groß werden können. 

Man würde intuitiv vermuten, dass gerade in der Tiefsee, wo es wenig Licht gibt und Ressourcen ohnehin knapp sind, Lebewesen eher kleiner werden, um ressourcensparender funktionieren zu können. Wie ist das Phänomen des Tiefseegigantismus also zu erklären? Zunächst mal ist wichtig festzustellen, dass es nicht alle Arten in der Tiefsee betrifft. Es gibt natürlich auch sehr kleine Lebewesen in den unteren Bereichen der Weltmeere. Der Tiefseegigantismus ist also eine Überlebensstrategie, die von einigen Arten angewendet wird, aber bei weiterem nicht von allen. 

Riesenasseln können eine erstaunliche Größe erreichen

Erstmal ist zu klären, weshalb die immensen Größen einiger Lebewesen physikalisch überhaupt möglich ist. Müsste nicht der Wasserdruck da unten alleine dafür sorgen, dass die Lebewesen eher kleiner werden? Nein, denn der Wasserdruck ist kein Problem, da diese Lebewesen in einem noch höheren Maße als beispielsweise wir Menschen selbst aus Wasser bestehen. Sie besitzen kein schweres Skelett und Wasser ist nicht sonderlich komprimierbar. Tatsächlich ist es das Wasser und die eher weiche Konsistenz dieser Lebewesen, die es ihnen ermöglicht, so groß zu werden. Das erklärt, warum der Gigantismus möglich ist, aber nicht warum er sinnvoll ist. Der Grund hierfür sind zwei biologische Regeln: Die Kleibersche Regel und die Bergmannsche Regel. Die Kleibersche Regel (oder auch das Kleibersche Gesetz), besagt, dass Tiere, die größer sind, im Allgemeinen effizienter funktionieren. Eine Katze zum Beispiel, die die hundertfache Masse einer Maus hat, hat nur einen etwa 32 mal höheren Stoffwechsel als eine Maus. Das Kleibersche Gesetz ist, wie viele andere biologische Gesetze, eine Folge der Physik der tierischen Kreislaufsysteme. Es hat auch viel mit dem Verhältnis von Oberfläche zu Volumen und der fraktalen Natur der Blutgefäße zu tun. Riesige Tiere, die in den Tiefen der Ozeane schwimmen, sind darauf angewiesen, dass die Nahrung von oben herabfällt, und da die Nahrung oft knapp ist, haben sie einen großen Anreiz, effizienter zu werden – und deshalb größer.

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Die Bergmannsche Regel ist eine allgemeine Korrelation zwischen zunehmender Körpergröße und sinkender Temperatur. Sie besagt, dass größere Arten eher in kälteren Umgebungen zu finden sind, und kleinere Arten tendenziell in wärmeren Regionen. Bei Warmblütern ist dies definitiv der Fall, denn je größer ein Tier ist, desto weniger Körperfläche besitzt es in Relation zu seinem Volumen, die mit der umgebenden Umwelt in Kontakt kommt. Anders gesagt: Ein Elefant besitzt in Relation zu seinem Volumen weniger Körperfläche die mit der Umwelt interagiert als eine Maus. Bei Tieren, die im Meer schwimmen, hängt dies mit der Zellteilung und der verlängerten Lebensspanne zusammen. 

Ihre erhebliche Größe bietet für die Riesenkalmare evolutionäre Vorteile

Zusammengefasst lässt sich sagen: Einige Arten in der Tiefsee haben im Laufe der Evolutionsgeschichte die Strategie des Gigantismus adaptiert und Gründe hierfür sind unter anderem, dass große Tiere effizienter sind, das sogenannte Kleibersche Gesetz und dass die größere Körpergröße im Vergleich zum Körpervolumen weniger anfällig ist für Wärmeabgabe in die Umgebung, die sogenannte Bergmannsche Regel.

Noch mehr Informationen über den Tiefseegigantismus und reale Aufnahmen vieler unheimlicher Meeresbewohner gibt es in diesem Video:

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