Ein radioaktiver Pilz wächst in den Ruinen des Kernkraftwerks Tschernobyl heran. Und stellt Wissenschaftler vor ein großes Rätsel.
Es ist schon mehr als 35 Jahre her, dass es zum Reaktorunglück in Tschernobyl kam. Im Atomkraftwerk der ukrainischen Stadt Tschernobyl kam es zu zwei Explosionen, durch die ein Reaktorblock zerstört wurde. Das führte zur Freisetzung von radioaktivem Material in die Luft, das sich durch große Teile Russlands, Weißrusslands, die Ukraine und weitere Teile Europas verbreitete. Die Einwohner des Ortes Tschernobyl und der nahegelegenen Stadt Prypjat wurden evakuiert und die Gegend galt jahrzehntelang als unbewohnbar.
Heute wohnen wieder einige Menschen dort und es gibt sogar Touristentouren in die Gegend. Natürlich wurde damals auch die Flora und Fauna in der Gegend um das Kernkraftwerk durch die radioaktive Strahlung belastet. Über die Jahre nimmt die Strahlenbelastung ab und so hat sich auch die Natur erholt. Aber der folgende Fund ist dennoch erstaunlich: Forscher fanden in dem Areal einen schwarzen radioaktiven Pilz, der sich von der radioaktiven Strahlung ernährt. Sein Name ist Cryptococcus neoformans. Er wächst nicht im Wald, sondern dort, wo es die höchste Strahlung im Reaktorblock gibt. Dieser hungrige Organismus trotzt nicht nur der hohen Strahlenbelastung, er lebt von ihr. Der NASA-Strahlenforscher Kasthuri Venkateswaran sagt: “Die Pilze, die im Reaktor gesammelt wurden, hatten mehr Melanin als die Pilze, die außerhalb in der Sperrzone gesammelt wurden. Es wurde festgestellt, dass sie der Strahlung entgegen gewachsen sind. Sie lieben sie.”

Radioaktiver Pilz ernährt sich von Grafit
Also wir reden hier wirklich über eine absolut außergewöhnliche Lebensform: Der Pilz gedeiht auf den Resten des Reaktorblocks. Er kann radioaktives Material wie den heißen Grafit in den Überresten des Tschernobyl-Reaktors zersetzen. In Gegenwart der Strahlung wachsen die Pilze schneller. Sie richten sich auf die Strahlungsquelle aus, um dort hinzuwachsen, so als ob sie nach ihrer Nahrung greifen würden. Dass das Leben ausgerechnet am Ort einer solchen Katastrophe gedeiht, ist faszinierend. Leben findet halt immer einen Weg.
Aber wie macht der Pilz das?
Und könnten wir das vielleicht sogar für medizinische Behandlung oder für die Raumfahrt nutzen? Die schwarzen Pilze besitzen einen sehr hohen Anteil an Melanin – das ist das Pigment in der menschlichen Haut, das vor ultravioletter Strahlung schützt. Der geringe Melaninanteil ist der Grund, weshalb die blasseren unter uns nach einem Tag am Strand aussehen wie eine Tomate. Die Pilze können mit ihrem Melanin Gammastrahlung in chemische Energie für ihr Wachstum umwandeln. Das erinnert einige von euch vielleicht an den pflanzlichen Photosynthese-Prozess und es ist auch tatsächlich ähnlich – analog zur Photosynthese nennt man das Radiosynthese. Der Molekularbiologe Arturo Casadevall sagt: “Wir begannen damit, die Pilze der Strahlung auszusetzen. Dabei stellten wir fest, dass sie schneller wuchsen, was mit Melanin zusammenhing. Wenn sie kein Melanin hatten, konnte man den Effekt nicht sehen.”
Ein radioaktiver Pilz als Strahlenschutz
Im Prinzip ist er durch seine Radiosynthese ein natürlicher Strahlenschutz. Sehr praktisch für Leute, die sich öfter mal im Weltraum aufhalten, denn die kosmische Strahlung ist radioaktiv und auf Dauer für den menschlichen Körper sehr gefährlich. Deswegen wurde der Pilz auch schon auf der internationalen Raumstation, der ISS, gezüchtet, denn man will seine erstaunlichen Eigenschaften für die Raumfahrt nutzen. Die Versuche auf der ISS sollen zeigen, ob es möglich ist, Raumschiffe auf diese Weise gegen die eindringende Strahlung abzusichern. Denn in dem Bereich, in dem sich die ISS bewegt, ist die Strahlung zwar höher als auf der Erdoberfläche, aber noch im akzeptablen Ausmaß.
Wenn irgendwann Menschen zu Missionen tiefer in den Weltraum aufbrechen, beispielsweise in den nächsten Jahren zum Mars, dann werden sie eine massive Strahlenbelastung aushalten müssen.Und da könnte der Tschernobyl-Pilz perfekt helfen, wenn man beispielsweise in den Außenwänden eines Raumschiffs diesen Pilz züchtet. Der Biologe Radamés Cordero sagt: “Wir wissen, dass die Weltraumstrahlung gefährlich ist und die Materie schädigt. Wenn man ein Material hat, das als Schutzschild gegen Strahlung fungieren kann, könnte es nicht nur Menschen und Strukturen im Weltraum schützen, sondern auch sehr reale Vorteile für Menschen hier auf der Erde haben.”

Radioaktiver Pilz für die Medizin?
Wenn sich schon auf der Erde solche Lebensformen bilden, heißt das, dass auch extrem radioaktive Exoplaneten nicht ausgeschlossen werden können hinsichtlich der Existenz von Lebensformen. Ein Planet der völlig überzogen ist mit einem Alien-Pilzgeflecht… Die Raumfahrt ist aber nur ein Anwendungsbereich. Auch in der Strahlentherapie könnte man den schwarzen Pilz nutzen, um Patienten vor negativen Aspekten der Strahlung zu schützen. Oder man könnte Atommüllendlager mit Schichten aus diesem Pilz umgeben. Die Möglichkeiten sind endlos.
Der Pilz könnte uns sogar zur Stromerzeugung dienen. Aus Radioaktivität könnten wir Öko-Strom erzeugen. Es gibt auf der Erde viele Orte, die auf natürliche Art und Weise eine immense Radioaktivität aufweisen, so zum Beispiel die iranische Stadt Ramsar. Dort existieren heiße Quellen, die Radium aus dem Gestein im Untergrund an die Oberfläche bringen. Die Radioaktivität dort entspricht dem 20-fachen des weltweiten Durchschnitts. Solche Orte wären prädestiniert für Pilzkraftwerke, um diese Radioaktivität in Energie umzuwandeln, die wir Menschen dann nutzen könnten. Alles noch Zukunftsmusik, aber es ist faszinierend, sich darüber Gedanken zu machen, wofür man diesen Pilz nutzen könnte.
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