Das ändert bei der Suche nach außerirdischem Leben alles: Wissenschaftler haben in der Nähe eines jungen Sterns das bisher größte Molekül in einer Planeten-Entstehungs-Scheibe entdeckt! Alles zu dieser kosmischen Entdeckung erfahrt Ihr in diesem Beitrag.
Wie werden eigentlich Planeten geboren? Ganz einfach: Durch die Gravitation junger Sterne. Überall in unserer Galaxis gibt es gigantische Wolken aus Gas, vor allem Wasserstoff und Helium. Es kann vorkommen, dass diese Gaswolken unter ihrem eigenen Gewicht kollabieren. Das Gas verdichtet sich immer mehr und aus dem komprimierten Gas entsteht dann ein Stern wie unsere Sonne. Dieser Stern beginnt aufgrund der Schwerkraft allerhand Zeug aus den umliegenden Bereichen der Galaxis um sich zu scharen: Staub, Eisklumpen, Steinchen, weitere Gaswölkchen. Und aus all diesem Kram entsteht dann eine sogenannte protoplanetare Scheibe.
Diese Scheibe gab es auch in der Anfangsphase unseres Sonnensystems vor etwa vier bis fünf Milliarden Jahren. Aus dem festen Anteil der protoplanetaren Scheibe entstanden die inneren Planeten Merkur, Venus, Erde und Mars und aus dem übrig geblieben Gas, das nicht Teil der Sonne wurde, formten sich der Jupiter, der Saturn, der Uranus und der Neptun.
IRS 48 bietet Einblick in die Frühphase von protoplanetaren Scheiben
Unser Sonnensystem hat schon einige Jahre auf dem Buckel und eignet sich leider nicht so gut, um die Frühphase von Sternsystemen zu untersuchen. Aber genau diese Frühphase ist interessant, um mehr über die Entstehung von Planeten und vielleicht auch über die Entstehung von Leben herauszufinden. Deswegen suchen Astronomen die Galaxis nach ganz jungen Sternsystemen ab, in denen sie diese Frühphase beobachten können.
Eines dieser noch jungen Systeme ist IRS 48, das etwa 444 Lichtjahre entfernt liegt, also in galaktischen Maßstäben sehr nah an uns dran. Auf dem Bild seht Ihr eine künstliche Darstellung des Systems: der Stern im Zentrum und drumherum eine protoplanetare Scheibe von gigantischem Ausmaß. Hier werden gerade neue Welten geboren und da liegt die Idee nicht so fern, dass hier bereits die Grundbausteine von Leben herumschwirren. Diese Idee hatte auch der Astronom Nashanty Brunken von der Universität Leiden in den Niederlanden und warf mit dem ALMA-Teleskop einen Blick auf die protoplanetare Scheibe von IRS 48.

ALMA steht für Atacama Large Millimeter/submillimeter Array und ist eine Radioteleskopanlage in den chilenischen Anden. Sie besteht aus 66 einzelnen Parabolantennen mit einem Durchmesser von jeweils zwölf Metern. Das ALMA-Teleskop wird vor allem zur Beobachtung von kalter, interstellarer Materie genutzt und ist perfekt geeignet, um mehr über die Planetenentstehung im IRS-48-System zu erfahren. Und was die Forscher der Uni Leiden dann entdeckten, ist wirklich spektakulär: Sie fanden Dimethylether.
Ein Baustein für Zucker und andere Biomoleküle
Dimethylether ist ein Molekül, das neun Atome enthält. Damit ist es das größte Molekül, das Forscher jemals in einer protoplanetaren Scheibe gefunden haben. Und nicht nur das: Dieses sauerstoffhaltige Molekül kann als Baustein für Zucker und andere Biomoleküle dienen. Anders gesagt: Die Forscher haben in einem jungen Sternsystem ein Molekül gefunden, das als Baustein für Leben dienen kann.
Das bedeutet natürlich nicht, dass in diesem System zwangsläufig Leben entstehen muss. Und es ist auch nicht das erste Mal, dass man Dimethylether im All entdeckt hat. In stellaren Gaswolken fand man es schon öfter, aber noch nie in einer protoplanetaren Scheibe. Die Astronomin Alice Booth von der Universität Leiden formuliert es so: “Eine Zeit lang dachten wir, es sei nicht möglich, diese großen Moleküle zu beobachten. Noch spannender ist, dass wir jetzt wissen, dass diese größeren, komplexen Moleküle für die Bildung von Planeten in der Scheibe zur Verfügung stehen. Das war vorher nicht bekannt, denn in den meisten Systemen sind diese Moleküle im Eis verborgen.”
Staubfallen in protoplanetaren Scheiben
Die Entdeckung wird noch aufsehenerregender dadurch, dass die Forscher das Molekül in einer besonders interessanten Region der protoplanetaren Scheibe entdeckt haben, in der sogenannten Staubfalle. Man hat herausgefunden, dass sich festes Material wie Staub, Steinchen und Eisklumpen um den Stern in einer Art Halbmondform ansammeln, während das Gas einen vollständigen Ring bildet. Diesen Halbmond aus festem Material bezeichnet man als Staubfalle und man nimmt an, dass es in jeder protoplaneten Scheibe zu so einer Verteilung kommt.

Wenn wir die Entstehung von Gesteinsplaneten beobachten wollen, die eher für außerirdisches Leben in Frage kommen als Gasplaneten, dann müssen wir in die Staubfalle gucken. Und dass gerade dort Dimethylether gefunden wurde, macht noch mehr Hoffnung darauf, dass die dort entstehenden Planeten irgendwann die Bedingungen für Leben haben könnten.
Die Entdeckung lief übrigens so ab: Wenn die Strahlung des Sterns die Staubfalle erreicht, lässt sie das Eis dort sublimieren, es wird sofort gasförmig. Wenn man das sublimierte Eis mit dem ALMA-Teleskop betrachtet, kann man anhand des Spektrums die Signatur der enthaltenen Moleküle erkennen. Diese Vorgehensweise funktioniert in der Theorie natürlich bei jeder protoplanetaren Scheibe und nach diesem Durchbruch wird man sicherlich noch viele weitere junge Sternsysteme ins Visier nehmen. Wer weiß, was wir dort finden? Es scheint jedenfalls so zu sein, als wäre ein Grundbaustein für Leben bei der Entstehung von Gesteinsplaneten keine Seltenheit.
Apropos Eis: Die Kometen, die heute in unserem Sonnensystem herumschwirren, sind ursprünglich aus den Eisklumpen in der protoplanetaren Scheibe unseres Sonnensystems entstanden. Man spricht daher bei Kometen auch immer von Zeitzeugen der Entstehung des Sonnensystems. Im Prinzip waren sie in fast unveränderter Form beinahe von Anfang an dabei. Um mehr über die Entstehung unseres Sonnensystems zu lernen, gibt es im Prinzip zwei Wege: Entweder mit einer Zeitmaschine vier Milliarden Jahre zurückreisen oder mit der Kometenanalyse. Das hat man beispielsweise intensiv mit dem Kometen Tschurimov-Gerasimenko gemacht, liebevoll auch Tschuri genannt. Das ist der erste Komet, auf dem man eine Raumsonde hat landen lassen. 2014 landete dort die Sonde Philae, die die Beschaffenheit intensiv untersucht hat. Das Ganze hat nicht perfekt funktioniert, weil Philae bei der Landung abgeprallt und an einer ungünstigen Stelle von Tschuri aufgekommen ist. Aber man konnte trotzdem einige Erkenntnisse gewinnen.
Die Astronomin Nienke van der Marel vom Observatorium Leiden sagt zum Thema Moleküle und Kometen: “Wir freuen uns sehr, dass wir nun den gesamten Weg dieser komplexen Moleküle von den Wolken, aus denen sich Sterne bilden, über die sich bildenden Planetenscheiben bis hin zu den Kometen verfolgen können. Wir hoffen, dass wir mit weiteren Beobachtungen dem Verständnis des Ursprungs der präbiotischen Moleküle in unserem Sonnensystem einen Schritt näher kommen können.”
Alles Wichtige über das Riesen-Molekül erfahrt ihr im folgenden Video: