Haltet euch fest: Der Erdkern pausierte und ändert nun seine Richtung. Wie es dazu kommen konnte, ob es Gefahr für uns bedeutet und ob das vielleicht sogar etwas mit dem Polsprung zu tun hat.
Nicht nur da oben im Weltraum, sondern auch unter uns befindet sich eine geheimnisvolle Welt, über die wir noch sehr wenig wissen: Das Innere unserer Erde, der Erdkruste, dem Erdmantel und dem Erdkern. Der Erdkern ist etwa so groß wie der Pluto. Wir sprechen also über ein gigantisches, unerforschtes Reich der Tiefe.
Da könnte man sich jetzt wundern und fragen: Warum ist der Erdkern denn so unerforscht, er ist doch in unserer Nähe, Teil unseres Planeten. Das stimmt, aber wir kommen trotzdem nicht hin und können ihn daher allenfalls indirekt erforschen. Das tiefste Loch, das man jemals gebohrt hat, war die Kola-Bohrung in der Sowjetunion, die im Jahre 1970 begann und bei der man eine Tiefe, beziehungsweise der Fachbegriff bei Bohrungen ist “Teufe”, von stolzen 12262 Metern erreichte. Das ist eine beachtliche Leistung, aber leider immer noch sehr weit weg vom Erdkern. Der beginnt in einer Tiefe von 2900 Kilometern. Die Kola-Bohrung hätte also mehr als 200 mal tiefer gehen müssen, um ihn zu erreichen.

Erdkern dreht sich nicht mehr
Man kann sich nicht zum Erdkern durch graben und ihn erforschen. Nur indirekt können wir ihn erforschen. Und dabei helfen uns vor allem seismische Wellen, wie sie bei Erdbeben ausgelöst werden. Die bewegen sich durch die verschiedenen Schichten der Erde. Durch die Analyse der Wellen können Geophysiker Rückschlüsse auf die Beschaffenheit der verschiedenen Erdschichten ziehen. Und eine Untersuchung solcher seismischer Wellen haben chinesische Forscher in den vergangenen Jahren durchgeführt. Sie kamen zu dem ebenso deutlichen wie erschreckenden Ergebnis: Der Erdkern hat aufgehört sich zu drehen.
Wie kamen die Forscher denn nun zu ihrer erschreckenden Erkenntnis über den Erdkern? Zunächst geht es um den inneren Erdkern, der aus festem Eisen besteht. Um ihn herum liegt der flüssige äußere Erdkern. Wir können uns den inneren Erdkern also wie eine Art Schokokugel umgeben von Vanillepudding vorstellen. Und nach jahrzehntelanger seismischer Forschung sind Geologen zu der Überzeugung gelangt, dass der innere Kern oszilliert, sich also über einen bestimmten Zeitraum in bestimmte Richtungen dreht. Die Forscher von der Uni Peking untersuchten seismische Daten aus den 1990er und 2000er Jahren, die von Erdbebenpaaren stammen. Erdbebenpaare nennt man auch seismische Dubletten – also zwei Erdbeben, die fast dieselbe Stärke am selben Ort zu unterschiedlicher Zeit hatten.

Seismische Wellen und der Erdkern
Seismische Dubletten gleichen sich in Stärke und Ort. Wenn die Analyse ergibt, dass die seismischen Wellen der beiden Erdbeben sich trotzdem unterscheiden, dann muss die Ursache tiefer liegen, wesentlich tiefer. Im Inneren der Erde. Und die Forscher stellten fest, dass bei seismischen Dubletten zwischen 1995 und 2008 die seismischen Wellen erheblich voneinander abwichen – zwischen 2009 und 2020 gab es jedoch eine große Übereinstimmung bei den Erdbebenpaaren. Irgendwann um 2009 herum muss sich also etwas geändert haben und das ist höchstwahrscheinlich das Stoppen der Bewegung des Erdkerns. Der innere Erdkern rotierte wohl seit den frühen 1970ern in Richtung Osten – und zwar schneller als die Erde. Etwa 2009 pausierte diese Rotation und kehrt nun ihre Richtung um. Insgesamt deutet dies wohl auf einen rund 70-jährigen Bewegungsrythmus des Erdkerns hin, den die Forscher als Superrotation bezeichnen.
Erdkern rotiert nicht mehr – gefährlich?
Jetzt stellt sich natürlich die Frage: Ist das gefährlich für uns? Ein paar Auswirkungen könnte es schon haben. Der beteiligte Forscher Xiaodon Song sagt: “Wenn das Oszillationsmodell korrekt ist, erwarten wir, dass der innere Kern bis Mitte der 2040er Jahre langsamer rotieren wird als die Oberfläche der Erde.” Das Ganze beeinflusst sogar die Länge der Tage, also der Dauer der Eigenrotationsbewegung unseres Planeten. Die Tage auf der Erde werden 0,01 Millisekunden kürzer, wenn der innere Erdkern in westlicher Richtung rotiert. Bewegt er sich dagegen nach Osten – die Richtung, in die auch die Erde rotiert – wird ein Tag um 0,12 Millisekunden länger.
Das sind minimale Effekte, die für uns nicht wahrnehmbar sind. Wesentlich wahrnehmbarer ist das Erdmagnetfeld, das als Schutzmechanismus gegen die energiereiche Strahlung der Sonne fungiert und das durch Prozesse im Erdkern überhaupt erst entsteht. Könnte das Langsamerwerden des Erdkerns das Magnetfeld gefährden und vielleicht sogar einen Polsprung herbeiführen, von dem in letzer Zeit oft die Rede ist? Da müssen wir zwischen innerem und äußerem Erdkern unterscheiden, denn das Magnetfeld wird durch Prozesse im flüssigen äußeren Erdkern gebildet; gestoppt hat aber der feste innere Erdkern. Der Seismologe Jon Vidale sagt: “Einige Leute argumentieren, dass das Vorhandensein des inneren Kerns die Umkehrung des Magnetfelds erschwert; man weiß, dass das Magnetfeld alle paar Millionen Jahre die Polarität wechselt. Aber das hat keinen Einfluss auf diese jährliche Bewegung des inneren Kerns.”
Innerer Erdkern stabilisiert die magnetischen Pole
Anders gesagt: Dass es den inneren Eisenkern unseres Planeten gibt, stabilisiert die magnetischen Pole, aber seine Drehbewegung hat nichts mit der Umkehrung des magnetischen Nord- und Südpols zu tun. Das Anhalten des Erdkerns wird uns nicht unmittelbar einen apokalyptischen Polsprung bescheren, was gut ist, weil das unsere gesamte Technik und Stromversorgung lahmlegen würde.

Dieser 70-jährige Oszillationzyklus scheint sich auch auf andere Erdschichten auszuwirken und entsteht wohl aus einem Wechselspiel zwischen magnetischen Prozessen und der Schwerkraft des Erdmantels. Was super interessant ist: Dieser 70-Jahre-Rhythmus findet sich auch in vielen anderen irdischen Prozessen wieder, allen voran im Erdklima. Auch die globalen Mitteltemperaturen und die Meeresspiegel zeigen subtile Schwankungen im Takt von rund 70 Jahren. Unglaublich, oder? In der Forschungsarbeit heißt es: “Diese Periodizität von 60 oder 70 Jahren scheint demnach auf ein resonantes System hinzuweisen. Damit könnten unsere Erkenntnisse auf dynamische Wechselwirkungen zwischen den tiefsten und höchsten Schichten des Erdsystems hindeuten.”
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