Subglaziale Flüsse: Leben unter dem ewigen Eis?

Entdeckung in der Antarktis

Wissenschaftler haben etwas Spektakuläres unter dem Eis der Antarktis entdeckt: subglaziale Flüsse. Schlummert da unten im ewigen Eis etwa eine fremde Welt? 

Eine unserer fundamentalen Annahmen über die Antarktis war komplett falsch. Und diese Annahme betraf eine geheimnisvolle Welt voller Seen unter der Oberfläche der Antarktis. Man würde es zwar nicht vermuten, wenn man durch die gigantische antarktische Eiswüste stappft, aber unter dem Eis gibt es jede Menge flüssiges Wasser und zwar in sogenannten subglazialen Seen. 

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Erledigt! Sie sind auf der Liste.

Wir reden hier nicht von Wasser, das unter einer dünnen Eiskruste ist, wie der zugefrorene Tümpel in eurem Dorf, sondern von Gewässern, die unter einer Eisschicht von mehreren 100 oder sogar tausenden Metern liegen. Der größte bekannte subglaziale See in der Antarktis ist der Wostoksee. Der liegt in fast 4000 Metern Tiefe, ist 50 Kilometer breit und über einen Kilometer tief. 

370 subglaziale Seen in der ANTArktis bekannt

Die Vorstellung ist absolut faszinierend, dass dort unten eine geheime eisige Wasserwelt existiert, in der nach neuesten Erkenntnissen sogar Leben existieren kann. Der Wostoksee ist ein eigenes Ökosystem, das wohl im Vergleich zu unserem Lebensraum fremdartiger nicht sein könnte. Der Wostoksee ist der größte von über 370 subglazialer Seen in der Antarktis. 

Eishöhle mit Fluss
Subglaziale Flüsse unter dem Eis der Antarktis

Bislang gingen die Wissenschaftler davon aus, dass diese subglazialen Seen voneinander isoliert und nicht miteinander verbunden sind. Die Erklärung dahinter war, dass diese geheimen Seen Überreste aus einer Zeit sind, in der er es in der Antarktis noch wärmer war, denn dieser eisige Kontinente war ja nicht immer so kalt und karg. Ganz früher war die Antarktis wohl mit dichten Wäldern und einer reichhaltigen Fauna bedeckt. In Grönland etwa wusste man, dass es ein zusammenhängendes unterirdisches Seen- und Flusssystem gibt, aber in der Antarktis ging man eben von nicht miteinander verbundenen Seen aus – und jetzt haben wir herausgefunden, dass das absolut unzutreffend ist. 

Flusssysteme unter der Antarktis

In einer neuen Studie haben Forscher veröffentlicht, dass subglaziale Flüsse unter dem Eis gefunden wurden, die die Seen miteinander verbinden. Co-Autor Martin Siegert sagt dazu: “Als wir vor einigen Jahrzehnten die ersten Seen unter dem Antarktiseis entdeckten, hielten wir sie für isoliert voneinander. Jetzt beginnen wir zu verstehen, dass es dort unten riesige Systeme von miteinander verbundenen Flüssen gibt.”

Das bestätigt mal wieder die Auffassung, dass Wissenschaft im Prinzip daraus besteht, sich nach vorne zu irren. Obwohl man davon ausging, dass subglaziale Flusssysteme unmöglich seien, weil sich in der Antarktis selbst im Sommer kein Schmelzwasser an der Oberfläche bildet, wurde man nun eines besseren belehrt. Und wir reden hier nicht über kleine subglaziale Bäche, sondern über gewaltige Ströme. Der größte Fluss unter dem Eis, den die Forscher entdeckt haben, besitzt eine Länge von 460 Kilometern. Das ist immerhin knapp ein Drittel der Länge des Rheins – und der ist lang, wie sicherlich alle Leser von der Schweiz, über Speyer bis nach Köln hin zur holländischen Küste wissen. 

Subglaziale Flüsse: Radarmessungen in der Antarktis

Aber wie haben die Forscher dieses subglazialen Flüsse denn entdeckt? Haben die sich etwa unter das Eis gegraben? Das funktioniert leider selbst mit den fortschrittlichsten technischen Mitteln nicht in dieser Tiefe, deswegen ist man immer angewiesen auf indirekte Beobachtungen. Die Forscher stießen auf die Flüsse, als sie mithilfe von Radarmessungen per Flugzeug und geophysikalischen Modellen die subglaziale Topografie einer bisher kaum untersuchten Region in der Nähe des Filchner-Ronne-Schelfeises untersuchten. Dieses zweitgrößte Schelfeis der Antarktis liegt östlich der westantarktischen Halbinsel im Weddellmeer. 

Auch ganz schön eisig: der Pluto. Holt euch jetzt diesen süßen Plüsch-Pluto nach Hause!

Das subglaziale Flusssystem befindet sich also nur in dieser Region nahe des Filchner-Ronne-Schelfeises. Und das ist aufregend, denn es erscheint sehr unwahrscheinlich, dass dies der einzige Teil der Antarktis mit solchen Flüssen ist. Vermutlich bedeutet es viel eher, dass die gesamte Antarktis unterwandert ist von einem riesigen geheimnisvollen Flusssystem, von dem wir jetzt eben erst einen winzigen Teil entdeckt haben! 

Subglaziale Flüsse haben Einfluss auf Gletscher in der Antarktis

Und das ist eine super wichtige Entdeckung, denn diese Flüsse haben einen starken Einfluss auf die antarktischen Gletscher. Wie die Forscher ermittelten, fließen aus dem Kanal unter dem größten Eisstrom rund 24,2 Kubikmeter Wasser pro Sekunde unter das Schelfeis. In der Forschungsarbeit heißt es: “Diese Kanäle sind entscheidend, um Wasser vom Inneren des Eisschilds zur Grundlinie der Gletscher zu transportieren. Jede Veränderung des Durchstroms, ihrer Größe oder ihres Drucks kann große Teile des basalen Systems der Antarktis beeinflussen und damit auch die Flussraten des Eises.”

Diese Flüsse sind also entscheidend dafür, wie schnell die großen Gletscher und Eisströme Richtung Meer fließen, denn wie viel von diesem Eis schmilzt, ist eng damit verknüpft, wie rutschig die Gletscherbasis ist. Die Existenz der subglazialen Flüsse könnte endlich eine Erklärung für ein großes antarktisches Geheimnis sein und zwar, weshalb einige der Gletscher schneller fließen als es ihr Gefälle nahelegen würde. Und wir reden übrigens alleine in der nun untersuchten Region über immense Mengen von Gletschereis. Die Region, unter der dieser Fluss liegt, umfasst genug Eis um den globalen Meeresspiegel um 4,3 Meter anzuheben.

Gletscher
Neue Erkenntnisse über die Gletscher unserer Erde

Annahme über Gletscher falsch

Und das aus dem subglazialen Fluss ins Meer strömende Schmelzwasser beeinflusst auch das Schelfeis. Denn das an der Grundlinie der Gletscher ausströmende Süßwasser sinkt ab und so kann im Gegenzug wärmeres Wasser an die Eisunterseite nachströmen. Das könnte das Abtauen des Schelfeises von unten vorantreiben und auch erklären, warum an der Unterseite des Schelfeises große Einbuchtungen und Rinnen entstehen. Also insgesamt kann man sagen: Bislang waren im Prinzip alle unsere Modelle bezüglich der antarktischen Gletscher super unvollständig, da wir diesen großen Einflussfaktor der subglazialen Flüsse nicht kannten. 

Das heißt auch, dass wir unsere Vorstellung vom Abtauen der Gletscher gewaltig anpassen müssen und dass sehr viele Faktoren eine Rolle spielen, die alle ineinander greifen. Der an der Forschung beteiligte Wissenschaftler Neil Ross formuliert es so: “Die Entdeckung eines Flusses, der hunderte Kilometer landeinwärts reicht und wesentliche Prozesse beeinflusst, zeigt, dass wir die Eisschmelze nicht vollständig verstehen können, ohne das gesamte System zu betrachten – Eisschild, Ozean und Schmelzwasser.”

Mehr über Eismonde lernen

Die Antarktis-Forschung ist übrigens so spannend, weil wir dadurch auch immer etwas über die Eismonde der Gasplaneten lernen. Klingt unglaublich, aber diese weit entfernten Trabanten haben viele Gemeinsamkeiten mit der Antarktis. Es ist mittlerweile erwiesen, dass sich unter der Oberfläche der Monde Ganymed und Europa gewaltige Wasserozeane befinden. Das heißt, wir haben hier flüssiges Wasser unter einer gewaltigen Eisschicht. Wie in der Antarktis. 

Wenn es in der Antarktis ein subglaziales Flusssystem gibt, spricht einiges dafür, dass auch die Monde der Gasplaneten solche unterirdischen Flüsse beherbergen könnten. Riesige Ozeane, Flüsse, Wärme durch die Schwerkrafteffekte von Jupiter und Co – das klingt nach den perfekten Voraussetzungen für außerirdisches Leben. Und schließlich wissen wir, dass es in den subglazialen Gewässern der Antarktis Leben gibt. Warum also nicht auch auf Europa, Enceladus, Triton und wie sie alle heißen? Und noch ein unglaublicher Fakt: Obwohl der Jupiter-Mond Europa deutlich kleiner ist als die Erde, ist die dort vorhandene Menge an flüssigem Wasser mehr als doppelt so groß wie die aller irdischen Ozeane zusammengenommen. 

Wollt ihr noch mehr über dieses Thema erfahren, dann schaut euch unbedingt mal dieses Video an:

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Lebensformen unter der Antarktis entdeckt

Antarktis Seen

Forscher haben in der Antarktis Leben unter dem mächtigen Eis gefunden. Mit einer Drohne sind sie direkt in eine Party winziger Lebensformen hineingeflogen. Was es damit wohl auf sich hat?

Die Antarktis ist eine gigantische Eiswüste. Man könnte meinen, dass hier, inmitten des ewigen Eis, keine Flüsse fließen oder Seen aus flüssigem Wasser existieren. Falsch gedacht. Denn genau das befindet sich unter dem Eis. Knapp 400 solcher subglazialer Seen sind bekannt. Auf der Karte unten seht Ihr, dass die Seen ein großes miteinander verbundenes Netzwerk unter dem Eis bilden. 

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Das Seengebiet unter der Antarktis

Eigentlich ist das allein gar nicht so verwunderlich. Wir dürfen nicht vergessen, dass die Antarktis ein ganz normaler Kontinent ist und nicht etwa wie die Arktis auf der Nordhalbkugel nur aus Eis besteht, das auf dem Ozean schwimmt. Die Antarktis besitzt eine riesige Landmasse und wie andere Kontinente auch Flüsse und Seen – nur eben versteckt unter dem dicken Eisschild. 

Subglaziale Seen in der Antarktis

Nur, wie kann das Wasser bei diesen Temperaturen flüssig sein? Tatsächlich herrscht in der Antarktis eine Durchschnittstemperatur von minus 55 Grad. Aber zwei Faktoren ermöglichen flüssiges Wasser unter der Oberfläche: Druck und Geothermie. Der Schmelzpunkt von Eis sinkt unter Druck, so dass es schneller schmilzt je weiter es unter dem mächtigen antarktischen Eisschild begraben ist. Und je weiter unten es sich befindet, desto stärker wird die geothermale Wärme aus dem Erdinneren. Beide Faktoren zusammen genügen, um die perfekten Bedingungen für subglaziale Seen zu schaffen. 

Der größte dieser unterirdischen Seen ist der Wostoksee in der Ostantarktis, der 30 mal größer als der Bodensee ist und vier Kilometer unter der Oberfläche liegt. Für Forscher ist es von großem Interesse, ob sich dort unten Leben befindet und welches faszinierende Ökosystem sich in einer solch extremen Umgebung entwickeln könnte. 

Eine Sonde in der Antarktis wird ins Eis hinabgelassen

Wie lassen sich subglaziale Wassersysteme erforschen? 

Wissenschaftler aus Neuseeland nutzten für die Erforschung der subglazialen Seen eine Sonde, die sie einen subglazialen Fluss entlang gleiten ließen, um zu schauen, welche faszinierenden Dinge die Sonde dort aufnehmen würde. Der beteiligte Professor Craig Stevens sagt: “Wir haben bereits an anderen Stellen des Schelfeises Experimente durchgeführt und dachten, wir hätten die Dinge im Griff, aber dieses Mal gab es große Überraschungen. Eine Zeit lang dachten wir, dass etwas mit der Kamera nicht stimmt, aber als sich die Schärfe verbesserte, bemerkten wir einen Schwarm von Arthropoden von etwa fünf Millimetern Größe.” Richtig gelesen, die Sonde fand unter dem mächtigen antarktischen Eis garnelenartige Lebewesen, die dort ganz munter herum schwammen, bis ihre Arthropoden-Party von der Sonde gestört wurde. 

Garnelen-Party im Wasser der Antarktis

Irgendwie ist es doch nur schwer vorstellbar, dass unter diesen extremen Bedingungen Leben gedeihen kann. Die entdeckten Tiere sind keine neue Art, sie waren der Wissenschaft schon bekannt, aber ihre Existenz unter dem antarktischen Schelfeis ist dennoch überraschend. Es stellt sich vor allem die Frage, woher die Tiere dort ihre Nahrung erhalten. Das neuseeländische Forscherteam lässt eine Probe des Wassers analysieren, um herauszufinden, welche Nährstoffe dort als Nahrungsquelle für die antarktischen Garnelen vorhanden ist. 

Nicht aus der Antarktis, aber trotzdem cool!

Hol dir deinen Ammoniten nach Hause!

Und das ist nur der Anfang der Erforschung: Das Forscherteam glaubt, dass es auf eine gigantische subglaziale Struktur gestoßen ist. Unter dem Schelfeis befindet sich eine kathedralenartige Höhle, die Hunderte Meter hoch ist und von Leben wimmelt. Und die Forscher haben Instrumente dort zurückgelassen, die in den kommenden Jahren immer weiter Daten über diese subglaziale Höhle liefern werden. 

Was hat die Antarktis mit dem All zu tun?

Solche Entdeckungen sind vor allem im Hinblick auf die Weltraumforschung interessant. Denn auf den Eismonden der Gasplaneten wie Europa und Enceladus existiert eine ganz ähnliche Umgebung wie in der Antarktis. Ihre Oberfläche ist überzogen mit kilometerdickem Eis, darunter befindet sich flüssiges Wasser, ein subglazialer Ozean. Wenn in der Antarktis unter dem Eis Leben existieren kann, erhöht das zumindest die Chancen, dass auch die Eismondozeane nicht zu extrem für Leben sind. Natürlich muss man auch die Unterschiede vor Augen haben: Die Landmasse der Antarktis war vor Urzeiten mal wesentlich lebensfreundlicher und beherbergte sogar Wälder und eine artenreiche Flora und Fauna – sowas gab es auf den Eismonden sehr wahrscheinlich nicht. Aber erinnert euch an Jeff Goldblum aus Jurassic Park: Das Leben findet immer einen Weg.

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