So energiereich wie nie: Neue Ära am CERN

Teilchenkollision am LHC in CERN

Eine neue Ära der Physik steht uns bevor: Am Teilchenbeschleuniger am Forschungszentrum CERN nehmen Ereignisse ihren Anfang, deren Folgen wir noch gar nicht abschätzen können. 

Das CERN, die Europäische Organisation für Kernforschung, ist eine Forschungseinrichtung in der Nähe von Genf in der schönen Schweiz, die vor allem der physikalischen Grundlagenforschung dient. Man könnte sagen: Hier werden kleinste Teilchen zur Kollision gebracht, um die Grundzüge unser physikalischen Realität zu verstehen. Denn wenn wir herausfinden, wie kleinste Elementarteilchen miteinander wechselwirken, dann ist das der Schlüssel dazu, wie das Universum eigentlich funktioniert. 

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Teilchen auf Kollision bringen

Um diese Wechselwirkung zwischen Elementarteilchen zu untersuchen, benötigt man riesige Teilchenbeschleuniger. In diesen großen Anlagen können Teilchen auf knapp Lichtgeschwindigkeit beschleunigt und zur Kollision gebracht werden. So weit so gut, aber wie misst man dann den Effekt, wenn zwei Teilchen miteinander kollidieren? Dafür sind im CERN eine Vielzahl von sogenannten Teilchendetektoren installiert, die dann die Flugbahn der kollidierten Teilchen messen könnten. Durch die Flugbahn wiederum kann man Rückschlüsse auf den Effekt der Kollision ziehen und insbesondere darauf, welche neuen Teilchen eventuell durch die Kollision entstanden sind. 

Und nun stehen am Forschungszentrum CERN wirklich revolutionäre Zeiten bevor. Der weltweit größte und leistungsstärkste Teilchenbeschleuniger, der Large Hadron Collider, kurz LHC, wurde im April nach einer dreijährigen Modernisierungspause wieder in Betrieb genommen, um seinen dritten Durchlauf vorzubereiten. Und dieser Durchlauf hat’s in sich. Im Internet, vor allem bei TikTok, kursieren schon seit Tagen Gerüchte, dass nun dort ein Tor in ein Paralleluniversum geöffnet oder unsere Realität zerrissen wurde. So spektakulär ist es leider nicht.

Foto des Large Hadron Colliders am CERN

Rekordgeschwindigkeit bei Proton-Kollision

Ab heute wird der LHC fast vier Jahre lang rund um die Uhr mit einer Rekordenergie von 13,6 Billionen Elektronenvolt arbeiten. Zwei Protonenstrahlen werden mit nahezu Lichtgeschwindigkeit in entgegengesetzte Richtungen um einen 27 Kilometer langen Ring geschickt, der 100 Meter unter der schweizerisch-französischen Grenze vergraben ist. Die dabei entstehenden Kollisionen werden von Tausenden von Wissenschaftlern im Rahmen einer Reihe von Experimenten aufgezeichnet und analysiert, um mehr über geheimnisvolle Konzepte wie dunkle Materie, dunkle Energie und andere grundlegende Geheimnisse des Kosmos herauszufinden. Und in diesem Durchlauf wird das alles mit einer nie dagewesen und wirklich unvorstellbaren Energierate stattfinden. Mike Lamont, Leiter der Abteilung Beschleuniger und Technologie am CERN, beschreibt es so: “Unser Ziel ist es, 1,6 Milliarden Protonen-Protonen-Kollisionen pro Sekunde zu liefern. Um die Kollisionsrate zu erhöhen, werden dieses Mal die Protonenstrahlen auf weniger als 10 Mikrometer verengt – ein menschliches Haar ist etwa 70 Mikrometer dick.” 

Neue Erkenntnisse über Higgs-Bosom

Die Forscher am CERN erhoffen sich durch diesen neuen Durchlauf mehr über das Higgs-Bosom zu erfahren. Dieses rätselhafte Elementarteilchen entdeckte man erstmals 2012 mit dem LHC. Das Higgs-Bosom wird manchmal auch als Gottesteilchen bezeichnet und ist im Prinzip verantwortlich für die Masse von Elementarteilchen. Klingt alles ein wenig kurios, aber man kann sich ja schon mal die Frage stellen: Was ist eigentlich Masse? Und woher kommt sie? Klar, man Dinge wiegen und sieht dann, wie viel sie auf die Waage bringen. Aber was ist Masse, woher kommt sie? Sehr schwierig zu definieren und hier kommt das Higgs-Bosom ins Spiel oder besser gesagt der Higgs-Mechanismus, benannt nach dem britischen Physiker Peter Higgs. 

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Nach der Theorie des Higgs-Mechanismus gibt es überall im Universum ein unsichtbares Feld, das sogenannte Higgs-Feld. Bewegt sich ein Teilchen durch dieses Feld, tritt es mit dem Higgs-Feld in Wechselwirkung und erhält dadurch seine Masse. Dieses Higgs-Feld und sein Elementarteilchen, das Higgs-Bosom, waren lange reine Theorie, bis man sie eben vor einigen Jahren am CERN nachweisen konnte. 

20 Mal mehr Kollisionen im LHC

Doch es bleiben natürlich noch sehr viele Rätsel bestehen. Zum Beispiel entstand das Higgs-Feld wohl nicht gleichzeitig mit dem Urknall. In der kurzen Zeitspanne zwischen dem Urknall und der Entstehung des Higgs-Felds besaßen die ersten Teilchen nach der Ansicht vieler Physiker keine Masse und bewegten sich mit Lichtgeschwindigkeit durch das schnell expandierende Universum. Um solche astrophysikalischen Kuriositäten besser zu verstehen und vielleicht den Geheimnissen des Urknalls selbst auf die Schliche zu kommen, will man im neuen Durchlauf des aufgerüsteten LHC also das Higgs-Bosom nun noch mal viel genauer unter die Lupe nehmen. 

Im Vergleich zum ersten Durchlauf des Colliders, bei dem das Boson entdeckt wurde, wird es dieses Mal 20 Mal mehr Kollisionen geben. Die Chancen stehen also gut, dass wir Erkenntnisse gewinnen werden, die die Physik auf den Kopf stellen wird. Cern-Forschungsdirektor Joachim Mnich sagt: “Das Higgs-Teilchen könnte ein Tor sein, um in Richtung Supersymmetrie zu schauen. Dort gäbe es minimal fünf verschiedene Higgs-Teilchen. Wir fragen also: Gibt es nur exakt ein Higgs-Boson oder mehrere? In diesem Fall würden die Eigenschaften des entdeckten Higgs-Bosons leicht von den Erwartungen abweichen.”

So groß ist das CERN Gelände

Aber, wie anfangs erwähnt, ist die Suche nach neuen Details des Higgs-Felds nicht der einzige Forschungsschwerpunkt. Durch den verbesserten Durchlauf des LHC erhofft man sich auch neue Erkenntnisse zu Dunkler Materie, Antimaterie und vielleicht sogar eine quantenphysikalische Erklärung zur Existenz der Schwerkraft, der Gravitation. Das alles sind fundamentale Fragen der Physik, die nicht weniger als das Wesen des Kosmos, unserer Realität selbst betreffen. Denn Stand der Dinge heute ist es so, dass wir zwar schon sehr viel über den Kosmos wissen und viele Dinge entweder mit einsteinscher Physik oder quantenphysikalisch beschreiben können, aber wenn man auf den Grund der Dinge kommt, dann wird es meistens sehr rätselhaft. Warum gibt es Elementarteilchen? Warum vergeht die Zeit? Warum sind die Naturgesetze so, wie sie nunmal sind? Es bleibt also spannend, was der neue Durchlauf am CERN uns für wundersame Erkenntnisse bescheren wird. Und übrigens kann man sich auch jetzt schon auf den nächsten LHC-Durchlauf freuen. Nach diesem Lauf jetzt wird der Collider im Jahr 2029 mit seinem vierten Durchlauf zurückkehren und die Zahl der nachweisbaren Ereignisse um den Faktor zehn erhöhen. 

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W-Boson: Ist das Standardmodell der Physik falsch?

Wissenschaftler der Teilchenphysik haben Hinweise entdeckt, dass es eine ganz neue Physik geben könnte. Diese kann unser Verständnis des Universums völlig auf den Kopf stellen. 

Das Fermilab in Illinois in den USA ist eine Forschungseinrichtung, die vor allem der physikalischen Grundlagenforschung dient. Man könnte sagen: Hier werden kleinste Teilchen zur Kollision gebracht, um die Grundzüge unser physikalischen Realität zu verstehen. Denn, wenn wir herausfinden, wie kleinste Elementarteilchen miteinander wechselwirken, dann ist das der Schlüssel dazu, wie das Universum eigentlich funktioniert. Aber wie läuft das genau ab? Wie bringt man Teilchen zum Kollidieren und was für Erkenntnisse zieht man dann daraus? 

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Um die Wechselwirkung zwischen Elementarteilchen zu untersuchen, benötigt man riesige Teilchenbeschleuniger. Bis zum Jahre 2011 wurde am Fermilab zu diesen Zwecken der Tevatron-Teilchenbeschleuniger genutzt, der einen Umfang von sechs Kilometern aufwies. In diesen großen Anlagen können Teilchen beinahe auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigt und zur Kollision gebracht werden. Im Tevatron ließ man vor allem Protonen und Anti-Protonen kollidieren. 

Darstellung einer Teilchenkollision

Aber wie misst man dann den Effekt, wenn zwei Teilchen miteinander kollidieren? Dafür sind in Teilchenbeschleunigern wie dem Tevatron eine Vielzahl von sogenannten Teilchendetektoren installiert, die die Flugbahn der kollidierten Teilchen messen können. Durch die Flugbahn wiederum kann man Rückschlüsse auf den Effekt der Kollision ziehen und insbesondere darauf, welche neuen Teilchen eventuell durch die Kollision entstanden sind. Grundsätzlich stehen die Ergebnisse solcher Teilchenkollisionen immer im Einklang mit dem sogenannten Standardmodell der Physik. 

Das Standardmodell ist im Prinzip die Gesamtheit der Erkenntnisse, die wir heutzutage im Hinblick auf die Physik von Elementarteilchen für richtig halten. Das Standardmodell beschreibt vor allem die uns bekannten Elementarteilchen, also die allerkleinsten Bausteine der Materie, und die Wechselwirkungen zwischen diesen Teilchen, also insbesondere die starke Wechselwirkung, die schwache Wechselwirkung und die elektromagnetische Wechselwirkung. Wenn sich das Standardmodell als fehlerhaft herausstellen sollte, müssten wir im Prinzip alle unsere Annahmen über den Kosmos in Frage stellen. Warum aber glauben die Teilchenphysiker, dass Daten des Fermilabs das Standardmodell der Physik ins Wanken bringen könnten?

Aus Teilchenzerfällen im Tevatron-Beschleuniger haben die Physiker am Fermilab die Masse des W-Bosons neu ermittelt – so genau wie nie zuvor. Da könnte man jetzt ganz unbedarft fragen…

Was ist ein W-Boson?

Teilchenbeschleuniger Tevatron

Ein W-Boson ist ein Elementarteilchen, also eines der kleinsten bekannten Bausteine der Materie. Das W-Boson ist verantwortlich für die sogenannten „geladenen Ströme“ der schwachen Wechselwirkung, einer der fundamentalen Wechselwirkungen der Physik. Das W-Boson ist kein normales Elementarteilchen, im Gegensatz zum Beispiel zu den Elementarteilchen, aus denen Ihr oder alles, was Ihr kennt, besteht. Es ist ein sogenanntes Eichboson. Das bedeutet, dass es nur in hochenergetischen Experimenten der Teilchenphysik zum Vorschein kommt und nicht im normalen Alltag. 

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Halten wir fest, dass das W-Boson ein Elementarteilchen ist, dass die schwache Wechselwirkung, also eine der vier Elementarkräfte der Physik überträgt. Es ist ein Trägerteilchen einer der Grundkräfte der Physik. Und gemäß des Standardmodells der Physik besitzt ein W-Boson eine gewisse Masse, nämlich ungefähr die 80-fache Masse eines Protons, also eines positiv geladenen Elementarteilchens. 

Doch jetzt das Unerwartete: Die Auswertung der Versuche am Fermilab haben eine andere Masse des W-Bosons ergeben. Es ist demnach signifikant schwerer, als es der Theorie nach sein dürfte. Das klingt erstmal unspektakulär, doch das würde bedeuten, dass das Standardmodell der Physik falsch liegt – und wenn das Standardmodell der Physik falsch ist, dann würde das im Prinzip all unsere Annahmen über die Naturgesetze des Kosmos betreffen. Das Gewicht des kleinen W-Boson hat also massive Auswirkungen auf unser Verständnis des gesamten riesigen Kosmos. 

Innenansicht vom Tevatron

Die Messungen am Fermilab beruhen auf Daten des schon erwähnten Tevatron-Teilchenbeschleunigers, in dem Protonen und Antiprotonen mit hoher Geschwindigkeit zur Kollision gebracht wurden. Bei diesen Kollisionen entstehen W-Bosonen, die nach kurzer Zeit entweder in ein Elektron und Neutrino oder ein Myon und Neutrino zerfallen. Was es mit diesen Teilchen im einzelnen auf sich hat, würde die Länge des Beitrags sprengen, wichtig ist auch nur, dass aus der Flugrichtung und Energie dieser Zerfallsprodukte ermittelt werden kann, wie schwer das W-Boson sein muss. Und das Ergebnis der Forscher: Das W-Boson besitzt eine Masse von 80,4335 Megaelektronenvolt – es dürfte gemäß des Standardmodells aber nur 80,357 Megaelektronenvolt besitzen. 

Wie ist das also zu erklären? Vielleicht handelt es sich nur um einen Messfehler? Unwahrscheinlich, denn die Daten der Physiker beruhen auf 4,2 Millionen solcher Teilchenzerfälle im Tevatron-Beschleuniger, die zwischen 1985 und 2011 registriert wurden. Der beteiligte Physiker Ashutosh Kotwal sagt dazu: “Dieser Datensatz ist viermal so groß wie bei früheren Messungen und hat eine doppelt so hohe statistische Genauigkeit. Wir haben unser Ergebnis einer enormen Menge an Überprüfungen und Tests unterzogen.“ 

Also spricht einiges dafür, dass kein Messfehler vorliegt, sondern tatsächlich das physikalische Standardmodell unvollständig ist. Das muss nicht zwingend bedeuten, dass alle unsere physikalischen Annahmen falsch sind, aber dass es noch unbekannte physikalische Prozesse gibt, vielleicht noch nicht entdeckte Elementarteilchen, und das Standardmodell erweitert oder angepasst werden muss. Es könnte auch bedeuten, dass es noch unentdeckte Wechselwirkungen auf subatomarer Ebene gibt, die das W-Boson beeinflussen und zu den unerwarteten Ergebnissen führen. 

Bisher haben sich solche Messergebnisse, die das Standardmodell in Frage stellen, immer als unkorrekt beziehungsweise Messfehler herausgestellt, aber diesmal sieht es so aus, als wäre das physikalische Standardmodell erstmals in realer Gefahr. Physiker und Sprecher des Fermilabs David Toback sagt: “Wenn die Diskrepanzen zwischen erwartetem und gemessenem Wert auf ein neues Teilchen oder eine noch unbekannte subatomare Wechselwirkung zurückgehen, dann besteht eine gute Chance, dass sie in künftigen Experimenten entdeckt werden.”

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