Winter is coming: Könnte der Golfstrom stoppen?

Der Golfstrom auf der Erde

Viele reden davon, dass der Golfstrom eventuell stoppen könnte. Warum das nicht stimmt und was die Nordatlantische Umwälzung damit zu tun hat, erfahrt ihr in diesem Beitrag.

Die Strahlungsenergie unserer Sonne ist der Haupteinflussfaktor auf den Ozean und die Atmosphäre der Erde. Diese Energie erwärmt die Erde ungleichmäßig: Die Tropen werden stärker erwärmt als die Polregionen. Warme Luft steigt auf, kühlt in der Atmosphäre ab und sinkt wieder nach unten. Diese Bewegung erzeugt ein Phänomen, das als atmosphärische Zellen oder Zirkulation bezeichnet wird. 

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Die Erddrehung, die auf diese Zellen einwirkt, trägt zur Entstehung der sogenannten vorherrschenden Winde bei, die die Hauptantriebskräfte der Oberflächenströmungen in den Ozeanen sind. Die Winde des Nordatlantiks, die unter anderem den Golfstrom formen, sind die Nordostwinde, mit denen Kolumbus nach Amerika segelte, und die Westwinde, die die spanischen Galeonen nach Hause trugen. Diese Westwinde und der Jetstream als Teil von ihnen sind auch der Grund dafür, weshalb Flüge von Amerika nach Europa kürzer dauern als umgekehrt. 

So entsteht der Golfstrom

Die windgetriebenen Oberflächenströmungen der Ozeane werden in eine elliptische Form gezwungen, einen Wirbel zwischen den Kontinenten, die den Atlantik begrenzen. Dieser Strömungswirbel wird durch die Rotation der Erde beeinflusst, die in Verbindung mit den vorherrschenden Winden zu verstärkten Strömungen auf dem westlichen Bogen des Wirbels führt und so den Golfstrom entstehen lässt, der etwa 50 bis 150 Kilometer breit und einige 100 Meter tief ist. 

Auf dem Infrarotbild unten seht Ihr das Golfstromsystem. Eine Sache fällt euch vielleicht auf, auch wenn Ihr nicht gut in Erdkunde seid: Das Ding ist nicht vor der Küste Europas, sondern vor der Ostküste der USA. Aber warum sprechen dann alle immer davon, dass der Golfstrom die Temperatur in Europa beeinflusst und dass man beispielsweise in Großbritannien und Norwegen ohne seine wärmenden Strömungen gar nicht leben könnte? 

Infrarotbild des Golfstroms
Infrarotbild des Golfstroms

Das ist der erste Golfstrom-Mythos, mit dem wir heute aufräumen. Der Golfstrom an sich erreicht Europa nicht, sondern seine Verlängerung, der Nordatlantikstrom. Der Golfstrom fließt entlang der Ostküste der USA und Kanadas in Richtung Nordosten, wo er dann gemeinsam mit anderen atlantischen Strömungen im Nordatlantikstrom aufgeht. Und deswegen ist es auch sehr ungenau, wenn Leute darüber sprechen, dass der Golfstrom stoppen und dadurch halb Europa einfrieren würde. 

Wenn der Golfstrom stoppen würde…

Wenn der Golfstrom stoppen würde, würde dies nicht bedeuten, dass der gesamte Nordatlantikstrom zum Erliegen käme. Der Golfstrom ist natürlich ein wichtiger Zulieferer des Nordatlantikstroms, aber es gibt auch andere Strömungen, die dazu beitragen, warmes Wasser in den Norden zu transportieren und die Temperaturen in Europa zu beeinflussen. Zum Beispiel gibt es die Kanarenströmung, die entlang der Westküste Afrikas fließt und ebenfalls warmes Wasser in den Norden transportiert. Es gibt auch die Nordatlantische Strömung, die entlang der Küsten Nordamerikas fließt und ebenfalls warmes Wasser in den Norden transportiert und so weiter und so fort. Wenn die Leute davon reden, dass der Golfstrom stoppt, meinen sie also in den allermeisten Fällen eigentlich den gesamten Nordatlantikstrom. Jetzt haben wir also schon mal dieses Begriffschaos entwirrt und können uns nun der eigentlichen Frage widmen: Können diese Strömungen denn wirklich einfach stoppen? Und das führt uns zu dem schönen Begriff: Nordatlantische Umwälzbewegung.

Darstellung der AMOC
Darstellung der AMOC: Nordatlantische Umwälzbewegung

Nordatlantikstrom und Golfstrom sind Teil eines noch größeren Systems, das man Atlantic Meridional Overturning Circulation, kurz AMOC, oder auf deutsch eben Nordatlantische Umwälzbewegung, nennt. Die AMOC ist ein super komplexes System von Strömungen, die warmes Wasser aus den Tropen in den Nordatlantik transportieren und kaltes, salzreiches Wasser aus dem Nordatlantik in den südlichen Ozean bringen. Diese gigantischen Strömungssysteme, von denen es auch Entsprechungen in anderen Teilen der Welt gibt wie die PMOC im Pazifik, tragen zur Regulation des globalen Klimas bei, indem sie Wärme und Salz im Ozean verteilen und den Kohlenstoffkreislauf beeinflussen. 

Und jetzt kommt ein wichtiger Punkt: Im Gegensatz zum Golfstrom, der vor allem durch die Erdrotation und die dadurch entstehenden Winde erzeugt wird, entsteht die AMOC durch die thermohaline Zirkulation. Es handelt sich um ein superkomplexes System, bei dem warmes Wasser mit hohem Salzanteil aus der Äquatorregion in Richtung Nordpol transportiert wird. Dort kühlt es ab und sinkt aufgrund seines höheren Salzgehalts nach unten. Dadurch wird kaltes und salziges Wasser in tiefere Schichten gedrückt. Das abgesunkene kalte und sehr salzige Wasser strömt aufgrund des hohen Drucks und der höheren Dichte dann in tieferen Meeresschichten wieder in Richtung des Äquators. Unterwegs erwärmt es sich wieder durch die intensivere Sonneneinstrahlung und sobald das Wasser in den Tropen angekommen ist, steigt es wieder auf und beginnt den Kreislauf erneut. 

Das globale Förderband: vereinfachte Darstellung der thermohalinen Zirkulation
Das globale Förderband: vereinfachte Darstellung der thermohalinen Zirkulation

Klimawandel beeinflusst die Nordatlantischen Umwälzungen

Dieser Prozess, die AMOC, kann durch den Klimawandel beeinflusst werden. Das arktische Gletschereis ist Süßwasser. Je mehr Eis dort schmilzt, desto höher wird der Süßwassergehalt der Ozeane. Das ist schlecht für die AMOC. Der geringere Salzanteil verändert die Dichte des Meerwassers. Das kann dann dazu führen, dass nicht mehr genügend Wasser absinkt, um den Kreislauf aufrechtzuerhalten, was auf Dauer eine Verlangsamung oder sogar ein Stillstand der AMOC zur Folge haben könnte. 

Wann und ob das überhaupt passiert, ist ein kontroverses Thema unter Klimawissenschaftlern und jeder, der sich da mit genauen zeitlichen Prognosen positioniert, lehnt sich ziemlich weit aus dem Fenster. Wir halten jetzt jedenfalls mal folgendes fest: Der Golfstrom stoppt durch den Klimawandel auf keinen Fall. Wenn der Klimawandel eines stoppt, dann also nicht den Golfstrom, sondern die AMOC beziehungsweise Nordatlantische Umwälzbewegung, aber auch das ist im Detail nicht völlig geklärt, denn auch die großen globalen Strömungssysteme haben unzählbar viele Einflussfaktoren und nicht alle davon werden von uns Menschen beeinflusst. 

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Das Stoppen der AMOC hätte natürlich auch Einfluss auf den Golfstrom, er würde dadurch seinen Verlauf ändern, aber stoppen würde er nicht. Und jetzt kommt noch ein sehr interessanter Punkt: Vielleicht wär’s ja sogar gut, wenn die AMOC stoppen würde. Der Klimawissenschaftler Tim Palmer sieht das so: “Wenn die AMOC zum Stillstand kommt, wird der Golfstrom etwas weiter südlich als jetzt fließen. Dies wird zu kühleren Temperaturen über Nordeuropa führen. Das könnte dazu beitragen, die Auswirkungen des Klimawandels in diesen Regionen auszugleichen und möglicherweise den Eisverlust in Grönland zu stabilisieren – was eine gute Sache wäre.”

Für uns Europa wäre das natürlich eher suboptimal, außer Ihr steht auf extreme Kälte. Bis die AMOC dann wieder anspringen würde, könnten selbst im Best Case Szenario tausende Jahre vergehen. So weit sollten wir es also nicht kommen lassen, aber für immer verhindern können wir es so oder so nicht. Denn die AMOC ist im Laufe der Erdgeschichte schon bereits mehrmals durch rein natürliche Zyklen kollabiert. Egal was wir machen, irgendwann heißt es für uns in Europa also: Winter is Coming.

Da das Thema sehr komplex ist, hier nochmal eine kurze Zusammenfassung: 1. Der Golfstrom wird durch den Klimawandel nicht stoppen, da er primär durch Erdrotation und Winde entsteht. 2. Die meisten Leute, die vom Golfstrom sprechen, meinen eigentlich den Nordatlantikstrom oder die AMOC. 3. Letztere Ströme entstehen vor allem durch Mechanismen im Ozean und könnten daher durch den Klimawandel beeinflusst werden. 4. Ob und wann sie stoppen könnten, ist absolut nicht klar und wird heftig diskutiert. 5. Diese Ströme sind in der Erdgeschichte auch schon mehrfach durch natürliche Prozesse gestoppt.

Wollt ihr noch mehr über dieses Thema erfahren, dann schaut euch unbedingt mal dieses Video an:

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