Die Erde wurde von etwas sehr Energiereichem getroffen, das aus einer der mysteriösesten Regionen des Kosmos stammt. Die Forscher sind ratlos. Was ist hier passiert und woher stammt das geheimnisvolle Amaterasu-Teilchen?
Wir wurden getroffen. Von etwas aus den Tiefen des Alls, das unsere Vorstellungskraft bei Weitem übersteigt. Was die Erde nun getroffen hat, ist außergewöhnlich und versetzt die Welt der Wissenschaft in absolute Aufregung. Die Rede ist vom Amaterasu-Teilchen.
Bevor wir uns mit diesem Teilchen befassen, ist es wichtig zu verstehen, was kosmische Strahlen grundsätzlich sind. Kosmische Strahlen sind hochenergetische geladene Teilchen, die aus den Tiefen des Weltraums auf die Erde treffen. Und sie stammen aus den verschiedensten Quellen in unserer Galaxis und auch von außerhalb. Ursprünge können gigantische Schwarze Löcher sein, kollidierende Neutronensterne, explodierende Rote Riesen und vieles mehr.
Wissenschaftler finden erstmals Amaterasu-Teilchen
Die kosmische Strahlung kommt auf der Erde an und fleißige Wissenschaftler versuchen dann ihren Ursprungsort zu berechnen. So weit, so ungewöhnlich. Doch was nun passiert ist, ist wirklich verrückt. Am 27. Mai 2021 stießen die Wissenschaftler auf das Amaterasu-Teilchen, das dazugehörige Paper ist erst kürzlich erschienen. Das aufgefangene kosmische Teilchen besaß eine Energie von 244 exa-Elektronenvolt.
Es gibt in der gesamte Geschichte der Astronomie nur ein anderes registriertes kosmisches Teilchen mit mehr Energie, das Oh-my-God-Teilchen von 1991 mit 320 eeV. Passenderweise ist das Amaterasu-Teilchen nach der japanischen Sonnengöttin benannt. Einer der beteiligten Wissenschaftler Toshihiro Fujii, Professor an der Uni Osaka in Japan, sagte: „Als ich dieses ultrahochenergetische kosmische Strahlteilchen zum ersten Mal entdeckte, dachte ich, es müsse ein Fehler vorliegen, da es ein in den letzten drei Jahrzehnten beispielloses Energielevel zeigte.”

Aber warum sind die Forscher so schockiert von diesem Teilchen? Weil man sich nicht erklären kann, welche Quelle im Kosmos ein solches Teilchen hervorbringen könnte. Explodierende Sterne, also Supernovae, besitzen nicht genug Energie, um solch ein Teilchen zu erzeugen. Wir haben Strahlung aus dem Kosmos empfangen, die so energiereich ist, dass selbst ein heftiges Ereignis wie ein sterbender explodierender Riesenstern sie nicht erzeugen könnte.
Seine Energie übertrifft sogar die von Teilchen, die im Large Hadron Collider am Cern, dem leistungsstärksten von Menschen gebauten Teilchenbeschleuniger, erzeugt werden. Um sich das besser vorstellen zu können: Seine Energie entspricht der eines Golfballs, der mit 153 Kilometern pro Stunde durchs All rasen würde. Also, wo kommt das Amaterasu-Teilchen her? Vielleicht doch von einer Alien-Mega-Struktur?
Woher kommt das Amaterasu-Teilchen?
Wir können seinen Ursprungsort zurückverfolgen. Kosmische Strahlen regnen nahezu ständig auf die Erde herab und können dann von Instrumenten wie dem Telescope Array-Observatorium in Utah erfasst werden, das auch das Amaterasu-Teilchen gefunden hat. Unterhalb einer bestimmten Energieschwelle ähnelt der Flugweg dieser Teilchen dem eines Balls in einem Flipperautomaten, da sie gegen die elektromagnetischen Felder durch den kosmischen Hintergrund im Weltraum mikrowellenartig hin- und herschwingen.
Aber Teilchen mit der Energie von Oh-My-God oder Amaterasu rasen relativ ungebeugt durch den intergalaktischen Raum, ohne stark von kosmischen Magnetfeldern abgelenkt zu werden, was es möglich machen sollte, ihre Herkunft zu verfolgen. Praktisch. So wie wenn bei euch ein Fußball durch die Scheibe klirrt und ihr seine Flugbahn genau zum Nachbarsgarten verfolgen könnt.
Amaterasu-Teilchen stammt aus Lokaler Leere
Die Rückverfolg ergab, dass das Teilchen aus einer großen Leere stammt: der Lokalen Leere, einer gigantischen Region, die an unsere Galaxiengruppe angrenzt und die, wie der Name schon andeutet, ziemlich leer ist. Sie besitzt einen Durchmesser von knapp 200 Millionen Lichtjahren und hat ein paar Galaxien, aber ist im Großen und Ganzen leer. Und es wird noch verrückter: Das Oh-my-God-Teilchen kam auch von dort. Wir haben also die zwei energiereichsten, mysteriösen kosmischen Teilchen aller Zeiten und beide kommen aus einer gigantischen kosmischen Leere, in der sich eigentlich gar nichts befindet.

Einige Ideen, was die Ursache der Teilchen sein könnte, gibt es aber. Was wäre etwa mit einem massereichen, hochenergetischen Objekt, das sich sehr gut verstecken kann: einem supermassiven Schwarzen Loch? In der Nähe solcher gigantischer Gravitationsmonster wird Materie auf ihre subatomaren Bestandteile zerlegt. Protonen, Elektronen und andere Teilchen werden mit nahezu Lichtgeschwindigkeit in den intergalaktischen Raum geschleudert, in sogenannten Jets. Das könnte die enorme Energie des Amaterasu-Teilchens erklären.
Allerdings wenden da einige Forscher ein, dass es nicht wahrscheinlich ist, dass sich ein solches Schwarzes Loch in der Lokalen Leere befindet. Denn wo keine Galaxien existieren, gibt es eigentlich auch keine Schwarzen Löcher. Deswegen geht die Spurensuche jetzt schon in eine noch aufregendere Richtung. Professor John Belz von der University of Utah, ein Mitautor der neuen Studie, sagt: „Es könnten Defekte in der Struktur der Raumzeit sein, kollidierende kosmische Strings. Ich meine, ich werfe verrückte Ideen in den Raum, die Leute entwickeln, weil es keine konventionelle Erklärung gibt.”
Ultrahochenergetische kosmische Strahlen könnten also durch unbekannte physikalische Prozesse erzeugt werden, die es ihnen ermöglichen, viel größere Entfernungen zu durchqueren, als bisher angenommen wurde. Im Prinzip sagt er hier nichts anderes, als dass Teilchen wie Amaterasu die Schlüssel zu den für uns noch unbekannten Bereich der Physik sein könnten. Wenn wir diese Teilchen wirklich verstehen, wer weiß, was wir dann noch über den Kosmos und vor allem das Verhalten der Raumzeit lernen könnten.
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Das ist super aufregend, weil wir hier die Effekte haben, die wir auf der Erde in Teilchenbeschleunigern erzeugen wollen, nur auf kosmischem Maßstab. Kosmische Strahlen bieten ein Testfeld, um zu untersuchen, wie Teilchen bei extremen Energien interagieren, die auf der Erde niemals von Beschleunigern erzeugt werden können. Wenn man Teilchen wie Amaterasu oder Oh my God untersucht, ist das so, als hätte man einen Teilchenbeschleuniger auf Steroiden.
Die Wissenschaftler sind jetzt dabei, das Telescope Array in Utah auf das Vierfache der Empfindlichkeit aufzurüsten. Dadurch können wir dann mehr von diesen seltenen ultrahochenergetischen kosmischen Strahlen einfangen und ihre Ursprünge genauer verfolgen.
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