Tscherenkow-Strahlung: Schneller als das Licht

Darstellung von Lichtgeschwindigkeit und Tscherenkow-Strahlung

Schneller als Lichtgeschwindigkeit geht nicht? Oh doch. Forscher haben herausgefunden, dass unsere grundlegenden Annahmen über das Universum und die Lichtgeschwindigkeit fehlerhaft sein könnten. 

Lichtgeschwindigkeit ist das schnellste, was es gibt. Diesen Satz hört man oft, aber er ist unvollständig. Er sagt nichts darüber aus, worin sich das Licht bewegt. Gemeint ist mit diesem Satz die Geschwindigkeit des Lichts im Vakuum. Und die beträgt 299.792 Kilometer pro Sekunde. Das bezeichnet man als maximale Geschwindigkeit c. Laut Albert Einsteins Relativitätstheorie ist das das Maximum, das erreicht werden kann. Nicht nur von Licht, sondern auch von den anderen elektromagnetischen Wellen.

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Lichtgeschwindigkeit hängt davon ab, worin sich Licht bewegt. Wenn es sich nicht im Vakuum bewegt, wird es langsamer. Im Wasser etwa legt das Licht nur noch 230.769 Kilometer pro Sekunde zurück. Es ist logisch, dass das Licht im Wasser langsamer ist, denn die Lichtteilchen, die sogenannten Photonen, müssen sich ihren Weg durch die Wassermoleküle erkämpfen. Das kostet Zeit. Genau so wie Ihr langsamer im Schwimmbecken seid, als wenn Ihr am Rand des Beckens entlang laufen würdet. Natürlich ist das Licht trotzdem noch immens schnell und natürlich können wir auch immer noch korrekterweise von Lichtgeschwindigkeit sprechen, nur eben nicht von der maximalen Geschwindigkeit c. 

Die Tscherenkow-Strahlung im Kühlwasser eines Reaktors

Wenn Licht durch Vanillepudding fliegt

Und jetzt kommt ein Effekt ins Spiel, bei dem die Lichtteilchen überholt werden können, bei dem etwas schneller wird als die Lichtgeschwindigkeit. Geladene Teilchen können schneller fliegen als das Licht, wenn das Licht durch ein Medium abgebremst wird. Also zum Beispiel durch Wasser. Oder irgendwas anderes wie Vanillepudding. Diesen Effekt nennt man Tscherenkow-Strahlung oder Tscherenkow-Licht. Beobachten kann man das beispielsweise im wassergefüllten Reaktorgefäß von Atomkraftwerken. Die durch die Strahlung der Brennelemente ausgesandte Elektronen, also negativ geladene, subatomare Teilchen, rasen dort so schnell durch das Reaktorwasser, dass das von angeregten Atomen abgegebene Licht nicht hinterherkommt. Es entsteht eine Art subatomare Kielwelle – quasi ein Überschallkegel aus Licht, der sich in Kernkraftwerken als eine Art bläuliches Schimmern äußert. 

Noch mal zurück zum Schwimmbecken. Stellt euch vor, Ihr zieht eure Bahnen im Wasser, durch eure Schwimmbewegung entstehen Wellen. Wellenberge und Wellentäler. Aber durch jede weitere Schwimmbewegungen gleicht ihr die vorherigen Wellen wieder aus. Insgesamt neutralisieren sich die Wellen, die Ihr durch eure Schwimmbewegungen erzeugt, da jede Welle die Welle von davor ausgleicht. Sie überlagern sich. Ihr seid aber sicherlich sehr gute Schwimmer und steigt deshalb noch mal ins Becken und zieht jetzt ein paar Bahnen mit Lichtgeschwindigkeit. Eure Schwimmgeschwindigkeit ist nun viel höher als die Geschwindigkeit der Wellen, denn die entstehen logischerweise nicht mit Lichtgeschwindigkeit. Die Wellen können sich nicht mehr überlagern, denn Ihr seid so schnell unterwegs, das es immer ein paar Wellen gibt, die vor allen anderen sind. Auf diese Art und Weise hättet Ihr im Schwimmbad eine Tscherenkow-Welle erzeugt. 

Beim Schwimmen werden Wellen erzeugt

Wie entsteht Tscherenkow-Strahlung?

Ganz einfach formuliert könnte man sagen, dass die Tscherenkow-Strahlung entsteht, wenn subatomare Teilchen durch ein Medium rasen und dabei schneller sind als das sich im Medium ausbreitende Licht. Die dabei entstehende subatomare Kielwelle ist dann schneller als Lichtgeschwindigkeit in diesem Medium. Einige von euch denken jetzt vielleicht, dass das ja geschummelt ist. Denn die Tscherenkow-Strahlung ist nicht schneller als das, was man gemeinhin mit dem Wort Lichtgeschwindigkeit meint, also nicht schneller als die maximale Geschwindigkeit c. Sie ist nur schneller als Lichtgeschwindigkeit außerhalb eines Vakuums. Stimmt, aber es ist trotzdem interessant, sich mal vor Augen zu führen, dass Lichtgeschwindigkeit nicht gleich Lichtgeschwindigkeit ist. 

Nichts verstanden? Was genau nicht?

Die Antwort lässt sich aus dem Tafelbild eigentlich leicht herleiten. Hol dir jetzt das nerdige T-Shirt!

Und jetzt kommt noch ein Clou. Könnte man das Prinzip der Tscherenkow-Strahlung nicht vielleicht doch auf die Lichtgeschwindigkeit im Vakuum anwenden? Könnten nicht auch außerhalb von Medien wie Wasser und Vanillepudding strahlende Kielwellen entstehen? Genau das wollten Forscher aus Schottland von der University of Strathclyde in Glasgow herausfinden. Und ihre Überlegungen basieren – wie könnte es anders sein – auf der mysteriösen Quantenphysik, dem Teil der Physik, der sich mit der verrückten Welt der kleinsten Teilchen beschäftigt. In ihren Berechnungen ermittelten die Forscher, wie schnell ein Teilchen sein müsste und durch welche Feldstärken es fliegen müsste, damit im Vakuum Tscherenkow-Licht in Form von Gammastrahlung frei wird. Und tatsächlich: Sie kamen zu dem Ergebnis, dass Quantenfluktuationsteilchen Licht aussbremsen können, wenn sie einem starken Magnetfeld ausgesetzt werden. “Das impliziert, dass energiereiche Partikel im All auch Tscherenkow-Strahlung freisetzen können, wenn sie durch starke elektromagnetische Felder fliegen”, so die Forscher. 

Millisekunden-Pulsare erzeugen starkes Magnetfeld

Aber wo könnte man eine solch extreme Umgebung finden, in der ein so starkes Magnetfeld vorhanden ist? Die Antwort: Im Umfeld der sogenannten Millisekunden-Pulsare. Das sind gestorbene Sterne, die nun mit einer hohen Geschwindigkeit um sich selbst rotieren und dabei pulshafte Strahlungsausbrüche abgeben, daher der Name Pulsar. Millisekunden-Pulsare rotieren in nur rund zwanzig Millisekunden um sich selbst. Einige dieser Millisekunden-Pulsare konnte man aufspüren, was gar nicht so einfach ist, denn die Objekte sind sehr klein, da die Restmasse des Sterns in ihnen sehr stark verdichtet ist. Wir reden hier von Größen von nur 15 bis 20 Kilometern, also für kosmische Objekte winzig. Aber diese Millisekunden-Pulsare verraten sich durch Gammastrahlung. Und hier fügen sich nun die Ergebnisse der schottischen Forscher perfekt zusammen, denn ein Teil dieser verräterischen Strahlung könnte Tscherenkow-Strahlung sein. Die Forscher schreiben: “Die Astrophysik liefert uns damit Umgebungen, in denen der Vakuum-Tscherenkow-Effekt beobachtet werden könnte. Für Protonen der energiereichsten kosmischen Strahlung wird dort die hochenergetische Abstrahlung vollständig vom Tscherenkow-Prozess dominiert.”

Gibt es etwas, das schneller als das Licht ist? Ja, die Tscherenkow-Strahlung. Mehr dazu hier.
Künstlerische Darstellung eines Pulsars

Das würde perfekt passen, denn in der Vergangenheit beobachteten Astronomen im Herzen vieler Galaxien, auch innerhalb unserer eigenen Milchstraße, ein mysteriöses Gammaglühen. Eine Strahlung im Gammabereich, deren Quelle völlig unbekannt ist. Einige Astronomen versuchen dieses Gammaglühen mit Effekten der Dunklen Materie zu erklären – das Problem ist nur, dass niemand so richtig weiß, was Dunkle Materie eigentlich ist. Es handelt sich bislang um ein komplett theoretisches Konstrukt. Die Tscherenkow-Strahlung im Vakuum, ausgelöst durch Millisekunde-Pulsare könnte eine realistischere Erklärung für das Gammaglühen sein. Aber – und leider gibt es immer ein aber – die Vakuum-Tscherenkow-Theorie ist eben auch nur das. Eine Theorie. Es fehlt mangels besserer Erforschungsmöglichkeiten dieser extremen Umgebungen um die Pulsare herum noch der letztliche Beweis. Es ist aber dennoch eine plausible Idee, denn sie würde nicht gegen die Relativitätstheorie verstoßen. Auch die Vakuum-Tscherenkow-Strahlung würde keine Geschwindigkeiten jenseits der maximalen Geschwindigkeit c erzeugen. Denn durch die Quantenfluktuation im starken Pulsar-Magnetfeld werden die Lichtteilchen ja verlangsamt und dadurch kann dann wiederum eine Tscherenkow-Kielwelle entstehen, die schneller als das verlangsamte Licht ist, aber nicht schneller als die maximale Geschwindigkeit c. Das Forscherteam schreibt: “Unsere theoretische Vorhersage ist sehr spannend, denn sie könnte Antworten auf einige grundlegende Fragen liefern – darunter auch nach dem Ursprung des Gammaglühens im Herzen von Galaxien. Gleichzeitig bietet sie eine neue Möglichkeit, fundamentale Theorien an ihre Grenzen zu bringen und so zu testen.”

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