Im radioaktiven Bergwerk gedeiht das Leben

Radioaktives Bergwerk

Tief in einem radioaktiven Bergwerk wurden exotische Lebensformen gefunden – und zwar in Deutschland. Welche Lebewesen können dort unbemerkt unter massiver Strahlung gedeihen? Und was hat das mit Aliens zu tun?

Deutschland war früher ein uranproduzierendes Land. Wenn wir uns die Liste der größten Uranproduzenten der letzten Jahre anschauen, sehen wir, dass Deutschland seit einiger Zeit auf 0,0 Tonnen gefördertes Uran pro Jahr kommt. In der DDR wurde im Bergwerk Königstein in der sächsischen Schweiz aktiv Uran gefördert und in die Sowjetunion exportiert. Seit 1990 steht das Bergwerk aber still. 

Liste der uranproduzierenden Länder (Wikimedia Commons)
Liste der uranproduzierenden Länder (Wikimedia Commons)

Tatsächlich fällt bei der Sanierung alter Bergwerke wie dem in Königstein immer noch eine gewisse Uranmenge an. Seit der Stilllegung versucht man in solchen Bergwerken vor allem das Grubenwasser zu reinigen, indem man aus dem kontaminierten Wasser über Filteranlagen das Uran löst. Und das aus dem Wasser gewonnene Uran kann man als schönen Nebeneffekt auch verticken. Mittlerweile ist die Uranmenge im Grubenwasser des Königsteiner Bergwerks aber so gering, dass kaum mehr etwas daraus gewonnen werden kann. Die letzte Fuhre Uran-Schlamm mit einem Gewicht von 19,5 Tonnen wurde im Jahre 2021 in die USA transportiert. 

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Leben in einem radioaktiven Bergwerk

Gut, das klingt ja so, als wäre das das Ende der Geschichte. Die Grubenwasserreinigung verläuft nach Plan, das Uran ist verkauft und die Mine selbst ist geflutet. Aber das radioaktive Bergwerk hält noch einige strahlende Geheimnisse bereit, wie Forscher vor einigen Tagen bemerkten. Wissenschaftler wollten herausfinden, welche Flora und Fauna sich dort gebildet hat. Wie ergeht es dem Leben in einem nassen, unterirdischen Biotop mit erhöhter Radioaktivität? 

Ziemlich gut, wie wir nun wissen. Schaut euch mal die untenstehende Aufnahme der Forscher aus dem radioaktiven Bergwerk an. Das sieht nach einer richtigen Mikrobenparty aus. Und tatsächlich: Was da von den Decken und Wänden hängt, sind mikrobielle Lebensformen. An den Wänden fanden die Forscher orangefarbene, säurehaltige Mikroben, die wie lange, dünne Würmer aussahen. Und von der Decke sickern schleimige braune und weiße Mikroben wie Stalaktiten herab. Das wirkt schon wie aus einem Alien-Film, aber es wird noch verrückter.

Lebensformen im Uranbergwerk Königstein (Zirnstein et al_MicrobiologyOpen)
Lebensformen im radioaktiven Bergwerk in Königstein (Zirnstein et al_MicrobiologyOpen)

In der veröffentlichten Forschungsarbeit heißt es: “Nicht nur Bakterien und Archaeen leben in radioaktiv kontaminierten Umgebungen, sondern auch Arten von Eukaryoten, was eindeutig auf ihren potenziellen Einfluss auf den Kohlenstoffkreislauf in einer von sauren Grubenwässern betroffenen Umgebung hinweist.”

Vielzellige Eukaryoten in radioaktivem Bergwerk

Mit anderen Worten: Das Leben ist dort unten sehr vielfältig! Und die Minenbewohner sind vor allem erstaunlich komplexe Organismen. Bei den meisten handelt es sich nicht um schnöde Einzeller, sondern um vielzellige Eukaryoten, also Organismen mit einem Zellkern, die zu komplexeren Dingen wie Atmung und Zellteilung fähig sind. Der größte dieser Mikroorganismen in der Uranmine war übrigens 50 Mikrometer breit und 200 Mikrometer lang, das wäre schon mit dem bloßen Auge sichtbar. 

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Da stellt sich die Frage, wie diese Organismen es schaffen, unter den extremen Bedingungen zu gedeihen? Der Schlüssel liegt im niedrigen pH-Wert, der hohen Sulfatkonzentrationen und der hohen Konzentrationen von Schwermetallen in der Mine. Das klingt nicht besonders gemütlich, aber für diese Mikroorganismen ist das wie ein 5-Sterne-Hotel. Denn viele der Bakterien dort sind säureliebend, sie gewinnen Energie, indem sie sich von den reichlichen Eisen- und Schwefelvorräten in der Mine ernähren. 

Genau diese Säure-Connaisseure bilden die schleimigen Stalaktitenstrukturen, die an der Decke der Mine hängen. Für uns sehen diese schleimigen Ablagerungen ein bisschen eklig aus, für Eukaryoten ist dies aber ein Sternedinner par Excellance, denn sie ernähen sich von den säureliebenden Bakterien. Noch größere, mehrzelligere Organismen ernähen sich von den Eukaryoten. Dieser Prozess setzt sich fort und bildet eine äußerst effiziente und gut organisierte Nahrungskette.

Im beschaulichen Königstein wurde Uran gefördert (Queryzo _ Wikimedia Commons)
Im beschaulichen Königstein wurde Uran gefördert (Queryzo _ Wikimedia Commons)

In der Studie heißt es: “Eukaryoten besiedeln extreme Lebensräume in größerem Ausmaß als angenommen und spielen möglicherweise eine wesentliche Rolle im Kohlenstoffkreislauf im sauren Grubewässer-Milieu.” Eine radioaktive, überschwemmte, verlassene Mine ist also ein Ort, an dem das Leben wunderbar gedeihen kann. 

Uranmine hilfreich bei der Suche nach Außerirdischen

Diese Entdeckung ist spannend hinsichtlich der Suche nach außerirdischem Leben. Denn es zeigt doch, dass das Leben sehr widerstandsfähig ist und sich an die extremsten Bedingungen anpassen kann. Wo sind die Bedingungen oftmals extrem? Richtig, außerhalb der Erde überall im Weltraum. Es gibt alleine in unserem Sonnensystem zahlreiche Orte, die als potenzielle Lebensräume in Frage kämen, aber aufgrund ihrer scheinbar feindlichen Bedingungen bisher als unwahrscheinlich galten, Leben zu beherbergen. 

Auf der Venus etwa regnet es Säure. Wie wir nun wissen, ist eine säurehaltige Umgebung aber nicht per se lebensfeindlich. Wenn das Leben auf der Erde in Umgebungen gedeihen kann, die aus menschlicher Sicht im wahrsten Sinne des Wortes ätzend erscheinen, müssen wir auch in unserer Suche nach außerirdischem Leben in Zukunft extreme Orte mit einschließen, zum Beispiel Exoplaneten, die komplett radioaktiv verseucht sind. Oder Exoplaneten mit riesigen Ozeanen aus Säure. Alles denkbar. 

Tatsächlich geht eine neue Studie davon aus, dass sogar Exoplaneten, die weit von ihren Sternen entfernt sind, Leben und Ozeane beherbergen könnten, wenn durch radioaktiven Zerfall genügend Energie erzeugt wird. In der Studie heißt es: “Das Vorhandensein eines flüssigen Lösungsmittels wird weithin als eine wesentliche Voraussetzung für Bewohnbarkeit angesehen. Unsere Analyse legt nahe, dass Supererden mit Radionuklidhäufigkeiten, die mehr als 10 hoch 3 mal höher sind als auf der Erde, langlebige Wasserozeane beherbergen können.” Also Ihr seht, solche Entdeckungen wie in der Königstein-Mine in Sachsen liefern daher super wichtige Implikationen für die Suche nach Aliens. 

Tschernobyl-Pilz Cryptoccocus neoformans (Dr. Leanor Haley _ Wikimedia Commons)
Tschernobyl-Pilz Cryptoccocus neoformans (Dr. Leanor Haley _ Wikimedia Commons)

Auch im Kernkraftwerk Tschernobyl hat man ja mitlerweile Lebensformen entdeckt, die nicht trotz der hohen Strahlung gedeihen sondern geraden wegen ihr. Ein Pilz namens Cryptococcus neoformans zehrt von der Strahlung und wächst in den Tschernobyl-Ruinen gerade dort, wo die Strahlung am höchsten ist. Man muss sagen, Dr. Ian Malcom aus Jurassic Park hatte Recht.

Wollt ihr noch mehr über dieses Thema erfahren, dann schaut euch unbedingt mal dieses Video an:

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