So etwas wurde bisher noch nicht entdeckt: Astronomen haben mit dem Supercluster Ho’oleilana ein gigantisches kosmisches Fossil am Himmel gefunden, das alle bisher bekannten Dimensionen sprengt. Und noch dazu befindet sich dieser kosmische Methusalem direkt vor unserer galaktischen Haustür.
Stellt euch mal vor, ihr spaziert bei eurem Herbsturlaub ganz gemütlich an der Ostseeküste irgendwo zwischen Stralsund und Usedom entlang und plötzlich entdeckt ihr am Steilufer unter Geröll und Gestrüpp versteckt ein Relikt aus längst vergangenen Erdzeitaltern: ein Fossil, also Reste eines Schwamms, einer Koralle oder einer Schnecke, die versteinert wurden. Das wäre doch echt mal eine Sensation, die euren Urlaub ordentlich aufwertet, oder? Stellt euch mal das Glücksgefühl vor, das ihr habt, wenn ihr so ein Fossil findet, das Millionen Jahre alt ist.
Astronomen in Hawaii haben jetzt so einen Fund gemacht, der noch viel spektakulärer ist. Sie haben das vermutlich älteste Fossil aller Zeiten gefunden. Ok, der Vergleich mag vielleicht etwas hinken, da es sich bei dem Fund nicht um einen versteinerten Wurm aus längst vergangenen Zeiten handelt, sondern um eine riesige Galaxienblase, die eine Art Überbleibsel des Urknalls sein könnte und den klangvollen hawaiianischen Namen Ho’oleilana hat. Es handelt sich hierbei um die größte bisher bekannte Struktur im nahen Universum. Die kosmische Dichteblase liegt direkt neben unserem heimischen Supercluster, dessen Name Laniakea ebenfalls aus dem Hawaiianischen kommt.
Ho’oleilana ist neuer Supercluster
Was genau haben die Forscher jetzt hier eigentlich gefunden? Ganz einfach: Auf der Webseite der Astronomen wird davon gesprochen, dass diese massive Struktur rund eine Milliarde Lichtjahre breit ist, sich in 820 Millionen Lichtjahren Entfernung zur Erde in einem Galaxiennetz befindet und eine Baryonische akustische Oszillation sein könnte.
Gehen wir das mal im Einzelnen durch. Zunächst klären wir die Frage, was überhaupt ein Supercluster ist. Diese Strukturen sind einige der größten bekannten Strukturen im Universum und bestehen aus mehreren Einzelgalaxienhaufen und Galaxienfilamenten, die sich aufgrund ihrer Schwerkraft zu einem einzigen riesigen Netzwerk anziehen.
Supercluster sind extrem groß, Millionen bis Milliarden von Lichtjahren im Durchmesser können sie haben und sie können tausende von Galaxien enthalten. Unser heimischer Supercluster heißt Laniakea, und der ist 500 Millionen Lichtjahre groß und beheimatet nicht nur die Milchstraße, sondern auch die Andromeda-Galaxie, den Virgo Superhaufen und tausende andere Galaxien. Also ein Verbund von Galaxien, die sich gravitativ anziehen und so gemeinsam durchs All vagabundieren.
Kurz nach Urknall: Supercluster im All
Das Verständnis von solchen Superclustern ist enorm wichtig, um zu verstehen, wie die Galaxien auf kosmischen Skalen verteilt sind und miteinander in Wechselwirkung stehen. Und sie zeigen, wie selbst unsere Galaxie, die Milchstraße, nur ein winzig kleiner Teil eines viel größeren kosmischen Zusammenhangs ist.

Diese neu entdeckte kosmische Blase geht zurück in eine Zeit rund 400.000 Jahre nach dem Urknall. Damals fanden Prozesse statt, die konzentrische Dichtewellen im Universum erzeugten. Alle riesig großen Strukturen im All sind damals in dieser Ursuppe entstanden, als Materie und Strahlung noch miteinander verbunden waren und Atome noch nicht existierten. Diese Ursuppe war ein Teilchen-Gemisch, das man auch als Plasma bezeichnet. Und als das heiße Plasma nach dem Urknall abkühlte, bildeten sich Atome, und überdichte Regionen brachen unter ihrer eigenen Schwerkraft zusammen.
In den dichteren Regionen zogen die eigenen Gravitationskräfte die Materie zusammen, während aber gleichzeitig die Strahlung einen enormen Druck ausübte, der der Gravitation entgegenwirkte. Dieses kosmische Kräftespiel führte dann am Ende dazu, dass das Plasma in Wallung geraten ist und angefangen hat zu schwingen und die Wellen sich dann ausgebreitet haben.
Dichtewellen im All versteinert
Und diese Dichtewellen sind damals durch diesen kosmischen Urbrei gedüst und rund 400.000 Jahre nach dem Urknall ließ die Verbindung zwischen Strahlung und Materie dann aber plötzlich nach, sie brach sogar zusammen, und genau zu dieser Zeit wurden diese Dichtewellen, diese Schwingungen, quasi eingefroren, oder besser gesagt: versteinert. Wie der Sand an unserer Ostseeküste, der bei Ebbe ja auch eine Art wellenförmigen Untergrund hinterlässt, so kann man sich das ungefähr vorstellen.
Und diese Dichtewellen bezeichnet man auch als Baryonische Akustische Oszillationen, kurz auch als BAO bezeichnet. Die BAOs sind genau diese ursprünglichen Dichteunterschiede oder -schwankungen im frühen Universum, die sich wie Wellen oder Rippel durch das Plasma aus Elektronen und Protonen bewegten, als das Universum noch sehr jung war.
Zunahme der Galaxiendichte
Diese fossilen Schwingungen aus der kosmischen Ursuppe sind noch heute in der Anordnung der Materie im Universum erkennbar, da sie subtile Schwankungen in der Verteilung von Galaxien hinterlassen. Und wenn Forscher diese Verteilung dann über eine große Entfernung hinweg betrachten, dann fällt ihnen etwas Interessantes auf: rund alle 500 Millionen Lichtjahre gibt es eine Zunahme der Galaxiendichte und diese Dichteanstiege zeigen dann das Zentrum der Baryonischen akustischen Oszillation.

Und durch einen absoluten Zufall haben die Astronomen diese Dichteblase entdeckt. Erstautor Brent Tully von der University of Hawai in Manoa sagt: „Wir haben nicht danach gesucht. Das Gebilde ist so riesig, dass es bis an den Rand des Sektors des Himmels reicht, den wir analysiert haben. Der sehr große Durchmesser von einer Milliarde Lichtjahren liegt jenseits der theoretischen Erwartungen.”
Aber das Wichtige: Das Gebilde scheint in puncto Form und Größe genau den Dichteblasen zu entsprechen, die durch die Baryonischen Akustischen Oszillationen entstanden sind. Der dichte äußere Rand der Blase und die Ansammlung von Galaxien, von Materie im Zentrum spiegeln diese versteinerten Dichtewellen aus der Urzeit des Universums ziemlich genau wider. Wir haben es hier also mit dieser durch Zufall entdeckten Ringstruktur mit einer der größten bisher bekannten Struktur im nahen Universum zu tun und zum ersten Mal eine BAO-Dichteblase identifiziert und das auch noch direkt in unserem kosmischen Vorgarten.
Und es ist interessant, dass diese äußere Struktur jetzt zufällig entdeckt wurde, denn das Innere dieser galaktischen Blase ist Forschern schon lange bekannt, dort sind viele Galaxien und Galaxienhaufen aus unserer direkten Nachbarschaft enthalten, darunter zum Beispiel der Virgo Coma Supercluster, der Corona Boreais Supercluster oder der Boötes Supercluster.
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Die Entdeckung von solchen Strukturen ist für die Astronomie von unfassbarer Bedeutung. Die Strukturen helfen nämlich nicht nur bei der Bestimmung von kosmischen Entfernungen, sondern man kann mit ihnen auch die Geschwindigkeit erahnen, mit der sich der Kosmos ausdehnt. Ho’oleilana ist viel größer als man es von einer Baryonischen Akustischen Oszillation erwartet hatte und die Forscher sagen, dass das ein Anzeichen dafür sein kann, dass sich das Universum viel schneller ausdehnt als bisher angenommen. Die Hubble-Konstante beschreibt die Rate, mit der sich das Universum ausdehnt und die zwischen 67 und 74 Kilometern pro Sekunde pro Megaparsec beträgt. Ho’oleilana lässt aber eher darauf schließen, dass sich der Kosmos noch schneller ausdehnt, mit rund 76,9 Kilometern pro Sekunde pro Megaparsec. Um diese Aussage aber wirklich sicher belegen zu können, müssen die Forscher noch eine Menge weiterer Analysen anstellen.
Ihr wollt mehr über Ho’oleilana erfahren? Dann schaut mal in das Video von Astro-Tim rein:
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