Ist der Urknall doch nicht der Anfang des Universums? Das behaupten immer mehr Wissenschaftler. Aber würde das nicht all unsere Erkenntnisse über den Kosmos über den Haufen werfen?
Irgendwie ist es schon ein wenig seltsam, wenn man länger drüber nachdenkt: Wir sitzen hier auf dieser Kugel, die um einen gigantischen Wasserstoffball rotiert und die Atome in unserem Kopf sind genau richtig angeordnet, so dass wir in der Lage sind, uns Gedanken über den Kosmos zu machen. Dieser Kosmos beinhaltet Milliarden von Galaxien, gigantische Sterneninseln, von denen die meisten sich voneinander weg bewegen, weil der Kosmos als Ganzes expandiert. Seien wir mal ehrlich: Das klingt doch so, als hätte sich irgendein höheres Wesen diese Szenen nur ausgedacht.
Und es wird noch kurioser: Nach Ansicht der meisten Astrophysiker hat die Expansion des Kosmos in einem singulären Ereignis begonnen: dem Urknall. Alles, was existiert, all die Materie des Universums, all die Energie, alles, woraus Planeten und Sterne bestehen, alles woraus Ihr besteht, war in einem winzigen Punkt ohne Ausdehnung zusammengequetscht, in einer Singularität. Aus ominösen Gründen begann dieser Punkt zu expandieren und nun, 13,8 Milliarden Jahre später, sind wir irgendwie hier gelandet.
Woher stammt der Name Urknall?
Das Wort Urknall ist übrigens irreführend und wurde ursprünglich von den Kritikern der Theorie entwickelt. Der belgische Physiker und Priester George Lemaître entwickelte im frühen 20. Jahrhundert die Urknalltheorie und nannte das Ganze Uratom. Damals ging allerdings die komplette Mainstreamwissenschaft davon aus, dass das Universum statisch sei. Man wollte George Lemaître daher lächerlich machen und entwickelte das Wort Urknall.
Heute wissen wir, dass George Lemaître grundsätzlich Recht hatte: Der Weltraum ist nicht statisch, seine Expansion kann durch moderne Beobachtungstechnik als definitiv bewiesen gelten und es sieht alles danach aus, als hätte es ein kosmisches Anfangsereignis gegeben. Wir können auch bis fast dahin zurückgucken, aber nicht ganz. Erst ungefähr 380.000 Jahre nach dem Urknall wurde das Universum durchsichtig, das bedeutet, dass plötzlich Strahlung ausgesendet wurde, genauer gesagt kosmische Mikrowellenstrahlung. Bis zu diesem Moment können wir zurückschauen. Wir sehen dort eine gigantische uns überall umgebende Wand von eben dieser Mikrowellenstrahlung. Man nennt dies die kosmische Hintergrundstrahlung.
War der Urknall wirklich der Beginn von allem?
Da damals das Universum viel kleiner war als heute, ist es für Kosmologen sehr praktisch, diese kosmische Hintergrundstrahlung nach Elementen abzusuchen, um mehr über das frühe Universum zu lernen. Doch hinter die kosmische Hintergrundstrahlung zu schauen, gestaltet sich als schwierig und deswegen ist höchst umstritten, wie genau das Anfangsereignis des Universums aussah und ob es wirklich eine Singularität war, wie meistens behauptet wird. Und tatsächlich sagen immer mehr Astrophysiker: Das mit der Singularität könnte die falsche Fährte sein. Der amerikanische Astrophysiker Ethan Siegel sagt: “Die Vorstellung eines singulären Beginns von Raum, Zeit und Universum war lange Zeit als Urknall bekannt. Doch als wir genau hinsahen, stellten wir fest, dass das Universum eine andere Geschichte erzählte. Die Extrapolation bis zu einer Singularität führt zu Vorhersagen, die nicht mit dem übereinstimmen, was wir beobachten.”
Singularitäten stehen ohnehin ein wenig auf Kriegsfuß mit den Gesetzen der klassischen Physik. Ein unendlich verdichteter Punkt ohne Ausdehnung lässt sich mit den einsteinschen Gesetzen der Relativitätstheorie nicht beschreiben. Deswegen behelfen sich die meisten Astrophysiker einfach, indem sie sagen, dass am Anfang des Universums eben alles noch so kurios war, dass die Gesetze der Physik da nicht wirklich funktioniert haben. Aber selbst wenn man die anfängliche kosmische Singularität als gegebenes Kuriosum hinnimmt, ergeben sich weitere Probleme.
Was gegen den singulären Start des Weltalls spricht
Laut Ethan Siegel gibt es vor allem drei Umstände unseres Universums, die nicht wirklich zu einem singulären Beginn passen, und zwar:
- Warum gibt es, wenn das Universum diese ultrahohen Energien schon früh erreicht hat, keine hochenergetischen Relikte (wie magnetische Monopole), die durch die Urknalltheorie eigentlich vorhergesagt werden?
- Warum hat das Universum in allen Richtungen mit einer Genauigkeit von 99,997 % genau die gleiche Temperatur, obwohl das Universum noch nicht lange genug existiert, um die verschiedenen Regionen zu thermisieren und einen Gleichgewichtszustand zu erreichen?
- Warum wurde das Universum in einer vollkommen flachen Umgebung geboren, in der die gesamte Materie- und Energiedichte die anfängliche Expansionsrate perfekt ausgleicht?
Alles etwas kompliziert, aber für den Moment reicht es zu verstehen, dass die Urknalltheorie einige Dinge vorhersagt, die wir im Kosmos nicht feststellen können. Irgendwas passt also nicht so ganz.
Kosmische Inflation als Alternative zum Urknall
Eine Alternative, die besser zu dem passt, was wir beobachten, könnte die kosmische Inflation sein. Astrophysiker wie Ethan Siegel sehen in ihr den eigentlichen Anfang des Kosmos. Die Idee ist im Prinzip simpel: Statt die Expansion so weit zurückzuführen bis wir in Bereiche kommen, die derart verdichtet und heiß sind, dass sie die Gesetze der Physik sprengen, gehen wir einfach nur so weit zurück, wie die Gesetze der Physik es zulassen. Und dann erhalten wir als Startpunkt des Kosmos nicht eine unendlich verdichtete Singularität, sondern bereits einen größeren Bereich, der gefüllt war mit einer bestimmten, definierbaren Energie und eine bestimmte, definierbare Dichte besaß und daher absolut im Einklang mit den physikalischen Gesetzen steht.
Dieser Inflationszeitraum ging – der Theorie nach – dem plötzlichen massiven Anwachsen des Universums, das wir bis heute spüren, voraus. Den Beginn des plötzlichen Anwachsens könnte man dann immer noch als Urknall bezeichnen, aber er geschah demnach eben nicht mehr aus einer mysteriösen Singularität heraus, sondern aus einem bereits existierenden Raum, einer Art kosmischen Ursuppe gefüllt mit undefinierter Energie. Ethan Siegel formuliert es so: “Vielleicht ging dem heißen Urknall eine Periode voraus, in der eine extrem hohe Energiedichte in der Struktur des Raums selbst vorhanden war, was dazu führte, dass sich das Universum inflationär ausdehnte, und dann, als die Inflation endete, wurde diese Energie in Materie, Antimaterie und Strahlung umgewandelt, wodurch das entstand, was wir als den heißen Urknall sehen: die Nachwirkungen der Inflation.”
Während also derzeit viele die Wirkung der Inflation in ihrem Portemonnaie merken, könnte auch unser gesamtes Universum ein Produkt kosmischer Inflation vor dem Urknall sein. Eine super faszinierende Theorie, die viele kosmologische Beobachtungen besser zu erklären vermag, als die Urknall-Singularitäts-Theorie. Aber ein Problem hat auch die Inflations-Erklärung: Sie liefert keine Antwort darauf, was vor der Inflation war, vor dem Beginn des Kosmos. Wodurch wurde die Inflationsphase ausgelöst? Gab es den energiegefüllten Vor-Urknall-Raum schon immer? Falls nicht, wer oder was hat ihn erschaffen?
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